Sein des Menschen ausmacht. Das verstehen wir nur aus dem Sinn des Seinsbegriffs der Griechen. Weileben dasjenige Seiende, auf das sich die σοφία bezieht, Immersein ist, die σοφία aber die reinste Art des Sich-Verhaltens-zu, des Sich-Aufhaltens-beidiesem-Seienden ist, deshalb ist die σοφία als das echte Gestelltsein zu diesem höchsten Sein die höchste Möglichkeit Die Entscheidung des Vorrangs der σοφία ist also letztlich getroffen aus dem Seienden selbst, auf das sie sich bezieht Die ἐπιστήμη ist hier ausgeschlossen, da sie die ἀρχαί nicht erschließen kann, sondern diese voraussetzt. Das ständige Sich-Aufhalten beim Immersein leistet das reine νοεῖν, das Aristoteles auch mit der αἴσθησις vergleicht3. So gewinnen wir einen Vorblick in die Grundauffassung des menschlichen Daseins, wie sie für Aristoteles leitend war: Das menschliche Dasein ist dann eigentlich, wenn es immer so ist, wie es in höchstem Sinne sein kann, wenn es sich also in höchstem Maße, möglichst lange und immer, im reinen Betrachten des Immerseienden aufhält. Sofern der Mensch jedoch sterblich ist, sofern er der Erholung und Abspannung in weitestem Sinne bedarf ist ihm der ständige Aufenthalt beim Immerseienden, das letztlich angemessene Verhalten zum Immerseienden, versagt.
Wir wollen diese Betrachtung der σοφία in der Weise abschließen, daß wir uns dasselbe Phänomen von der entgegengesetzten Seite her vergegenwärtigen. Wenn die σοφία die höchste Weise des ἀληθεύειν ist, sie aber doch andererseits eine £ξις τῆς ψυχής, d.h. des Seins des Menschen ist, dann stellt sich die Frage, inwiefern in der σοφία die Möglichkeit der εὐδαιμονία des Menschen liegt Es geht also darum, die σοφία und ihr ἀληθεύειν als Seinsart des menschlichen Daseins zu begreifen Da für Aristoteles die σοφία die höchste Möglichkeit des menschlichen Daseins ist, muß er auch in ihr die εὐδαιμονία sehen.
3 Vgl. S. 160ff.