b) Die Strukturmomente der εὐδαιμονία und ihre Erfüllung durch das θεωρεῖν der σοφία (νοῦς) (Eth. Nic. X,7)
Das, was das Dasein in die Eigentlichkeit seines Seins bringt, muß
1. die κρατίστη ἕξις (vgl. 1177a13) sein, diejenige Seinsart, in der der Mensch am eigentlichsten verfügt über das, was er sein kann. Diese höchste Seinsbestimmung ist der νοῦς.
2. Diese höchste Seinsbestimmung in uns, έν ἡμῖν, der νοῦς, das reine Vernehmenkönnen des Seienden als solchen, ist bezogen auf die γνωστά, womit ich vertraut werde im reinen Betrachten; und zwar bezieht er sich auf Seiendes, das selbst κράτιστον ist, auf das Immerseiende; καὶγάρ ό νοῦς ‹τό κράτιστον› τῶν έν ἡμῖν, καὶ ‹τά κράτιστα› τῶν γνωστών, περί α ό νοῦς (1177a20 sq).
3. ist diese Seinsart, die der εὐδαιμονία genügt, συνεχέστατη (a2l), das, was am meisten in sich zusammenhält, was mehr ununterbrochen ist als alles andere, θεωρεῖν τε γὰρ δυνάμεθα συνεχώς μάλλον ἡ πράττειν ότιοΟν (a21 sq). Wir sind imstande, auf Grund unseres menschlichen Seins mehr ununterbrochen zu leben in der Weise des reinen Betrachtens als in der Weise des Handelns. Denn die Handlung ist ihrem Sinn nach jeweils eine andere nach Umständen, Zeit, Menschen. Die Stetigkeit des Handelns in der Erstreckung eines bestimmten Lebenszusammenhanges ist ständig unterbrochen durch die neuen Einsätze, die jeder Entschluß verlangt. Dagegen ist das reine Betrachten, in sich selbst ein gleichmäßiges, ununterbrochenes Verharren, das seinem Sinn nach nicht anders sein kann. Denn es ist ein Sich-Aufhalten bei dem Seienden, das in sich selbst nicht anders sein kann Während das Seiende der πρᾶξις je anders sein kann und jeweils einen Entschluß im Augenblick verlangt, verharrt' [das reine Betrachten des Immerseienden gleichsam in einem dauernden Jetzt. Dieses 3. Moment, das συνεχέστατον, wird dem Verhalten zugesprochen, das wir als θεωρεῖν der σοφία kennen.