Vielmehr ist bei einem historischen Rückgang zu den Grundquellen unserer geistigen Existenz auch der innere Zug der geschichtlichen Entwicklung festzuhalten. Die Auswahl einer Philosophie oder eines Philosophen ist nie beliebig. Wenn es sonst erlaubt sein kann, aus den verschiedensten Motiven, geistigen Liebhabereien sich aus der Geschichte Existenzmöglichkeiten, Ideen, Vorbilder zu wählen, also beliebig in der Geschichte sich umzutun, so gilt das nicht für die philosophische Forschung, wenn anders diese das Dasein aufdecken soll in seinen Fundamenten und wenn anders dieses Dasein, wir selbst, die Geschichte sind. So ist das Durchgehen einer Interpretation durch Aristoteles, ob ausdrücklich oder nicht, im Grunde eine Selbstverständlichkeit, zumal wenn man bedenkt, daß in der aristotelischen Forschung nichts anderes vorliegt als eine radikalere Fassung der Probleme, mit denen Plato und die Früheren gerungen haben. Eine Platointerpretation kann Aristoteles nicht nur nicht überspringen, sondern jede muß sich an ihm bewähren. Gemäß dem hermeneutischen Grundsatz gehen wir so vom Hellen ins Dunkle zurück, vom Klaren bzw. relativ Ausgewickelten zum Verworrenen. »Verworren« ist hier nicht als abschätzige Bewertung zu verstehen, sondern besagt, daß die verschiedenen Richtungen des Sehens und Fragens bei Plato noch durcheinanderlaufen, nicht auf Grund einer subjektiven geistigen Unfähigkeit, sondern auf Grund der Schwierigkeit der Probleme. Das Verworrene, Unausgewickelte kann nur dann verstanden werden, wenn für die immanenten Tendenzen Leitfäden zur Verfügung sind. Diese können nicht beliebige philosophische Fragen sein, ebensowenig alle Möglichkeiten eines Systems, in einem Maximum von Oberflächlichkeit. Sondern die Fundamentalfrage der griechischen philosophischen Forschung ist die Frage nach dem Sein, nach dem Sinn des Seins und charakteristischerweise die Frage nach der Wahrheit2.
2 s. Anhang.