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§ 27. Das buher Geleistete und die weitere Aufgabe

zurück zu einer neuen eigentlichen Existenz, zu der des Philosophen. Charakteristisch ist, daß dabei nicht über einen bestimmten Typus Mensch gehandelt, nicht Typologie von verschiedenen Menschenarten getrieben wird, sondern sachliche Forschung, aus der der Sinn des Philosophen von selbst herausspringt, ohne daß Plato ausdrücklich darüber spricht. Mit der Frage nach dem Sinn der sophistischen Existenz wird indirekt die des Philosophen mitbeantwortet.

Wenn wir damit das Gewicht der Fragestellung auf die sachliche Frage des Seinsbegriffes und die Umlegung des bisherigen Seinsbegriffes verlegen, so sind wir vor die Aufgabe gestellt, die Position der Betrachtung uns zuzueignen, auf der die Anwesenheit des Nicht-Seienden zum ersten Mal präsent und evident wird. Es kommt darauf an, phänomenologisch die Tatbestände auszuweisen. Wir werden nachsehen müssen: Auf welchem Weg wird das Sein des Nicht-Seienden präsent und evident? Wo und wie ist der Anwesenheit des Nicht-Seienden nicht mehr aus dem Weg zu gehen? Und wir werden fragen müssen: Was besagt dieser Weg? Wie vollzieht sich angesichts des Seins des Nicht-Seienden die Um- und Ausbildung des Seinsbegriffs? Wie war dieser bisher bei Parmenides gewonnen? Woher gelangt Plato in sein Fragen nach dem Sein? Thema der Betrachtung ist also das Seiende in seinem Sein; es geht um die Charaktere des Seienden, sofern es ist.

Dieses Seiende, das im Dialog behandelt wird, ist Thema eines Sprechens darüber, und zwar eines solchen Sprechens, διαλέγεσθαι, daß darin das Seiende als Aufgedecktes sichtbar wird. Daher spricht Plato immer vom ὄν άληθινόν; dieses ist das Seiende als aufgedeckt an ihm selbst. Über das ἀληθεύειν, die Art des Zugangs zum Aufgedeckt-Seienden, sind wir hinreichend orientiert7. Unter den möglichen Weisen des ἀληθεύειν haben wir eine ausgezeichnete kennengelernt, der es einzig


7 Rb. Hs.: Der I. Teil dieser Vorlesung ist eine Interpretation von Aristoteles Eth. Nic. Z.


Martin Heidegger (GA 19) Platon Sophistes

Plato's Sophist p. 133

GA 19