a) Das διαλέγεσθαι als ἀληθεύειν.
Wiederaufnahme und Weiterführung des über den λόγος Ausgemachten: Abweis des λόγος als eigentlicher Stätte der Wahrheit1. Der λόγος als nächste Weise des ἀληθεύειν sowie als verdeckendes Gerede. Der Grundsinn der »Dialektik«: das Durch-brechen des Geredes, Tendenz auf das Sehen (νοεῖν)
Wenn die Vorbereitung für das Dialogverständnis durch die Explikation des ἀληθεύειν eine gegründete ist und eine echte Vorbereitung sein soll, dann muß aus ihr die Betrachtungsart des Dialogs, das διαλέγεσθαι, verständlich werden. Es muß aus dem über das ἀληθεύειν Ausgemachten gezeigt werden können, was διαλέγεσθαι, das spezifische Verhalten des Durchsprechens im Dialog, eigentlich besagt. Mit der Aufklärung des Sinnes des διαλέγεσθαι gewinnen wir zugleich ein Verständnis dafür, warum überhaupt die Erörterung dessen, was im Dialog behandelt wird, in der Weise des »Dialoges« geschieht, warum Plato in Dialogen philosophiert. Das geschieht nicht etwa deshalb, weil, wie man trivial sagt, Plato ein Künstler war und dergleichen Dinge auch schön darstellen wollte, und wie diese Sachen alle heißen, sondern aus einer inneren Not des Philosophierens selbst, aus der radikalen Aufnahme des Anstoßes und Stoßes, den ihm Sokrates versetzte: aus dem λόγος als Gerede, dem zunächst gegebenen, über alle Dinge Gesprochenen und Herum-Gesprochenen, durch das echte Sprechen hindurchzugehen zu einem λόγος, der wirklich als λόγος αληθής etwas über das Besprochene sagt. Das διαλέγεσθαι ist ein Hindurchgehen durch das Sprechen im Ausgang von einem Gesprochenen mit dem Ziel, zu einer Aussage, zu einem λόγος in echtem Sinne über das Seiende selbst zu gelangen. In diesem Sinne ist das διαλέγεσθαι — wie es später in Platos »Sophistes« heißt — ein διαπορεύεσθαι διά τῶν λόγων (vgl. 253b10), ein Durchlaufen dessen, was gesagt ist, und zwar so, daß es aufzeigt, was darin an Sein gemeint sein könnte.
1 Vgl. § 26 b) β), S.182ff.