selbst die Tendenz auf ein Sehen, auf ein Aufdecken. Man kann also die Dialektik nicht dadurch erfassen, daß man einen Unterschied zwischen Anschauen und Denken macht und die Dialektik auf die Seite des Denkens schlägt. Die Dialektik ist nicht etwa eine höhere Stufe des sogenannten Denkens gegenüber der sogenannten bloßen Anschauung, sondern umgekehrt: Ihr einziger Sinn und ihre einzige Tendenz ist, durch das nur Besprochene hindurch die echte ursprüngliche Anschauung vorzubereiten und auszubilden5. Daß Plato nicht dazu vorgedrungen ist, letztlich das Seiende selbst zu sehen und gewissermaßen die Dialektik zu überwinden, dieses Ungenügen, das in seinem eigenen dialektischen Verfahren beschlossen ist, bestimmt gewisse Momente seiner Dialektik, z.B. die vielbesprochene κοινωνία τῶν γενών, die Gemeinschaft, das Sich-miteinander-Halten der Gattungen. Diese Charaktere sind keine Vorzüge und keine Bestimmungen einer überlegenen philosophischen Methode, sondern Anzeichen einer grundsätzlichen Verworrenheit und Unklarheit, die, wie ich schon sagte, in der Schwierigkeit der Sachen selbst, in der Schwierigkeit solcher erster Fundamentalforschungen, begründet liegt.
b) Kritik der traditionellen Auffassung der Dialektik.
Dialektik: keine Denktechnik, sondern Vorstufe des νοεῖν. Stel
lung des Aristoteles zur Dialektik
Die Herrschaft des λόγος zeitigt später — wie auch heute noch — eine Rückwirkung, und zwar im »Theoretischen« überhaupt und im »Logischen«. Die Geschichte der Philosophie und die dialektisch orientierte philosophische Betrachtung hat sich an dieser platonischen Dialektik das erste Ideal genommen und darin eine überlegene Art des Philosophierens gesehen. Man hat sich im Anschluß daran ein Wunderwerk philosophischer
1 Rb. Hs.: Erkennen — vgl. SuZ • und Anschauen. Hegel im Grunde ebenso.