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§ 29. Griechische Seinsforschung in Platos »Sophistes«

der Forschung, nicht hinsichtlich des Resultates, liegt darin, daß der Boden, auf dem die Frage nach dem Sinn des Seins gestellt wird, jetzt konkret wird Die Aufgabe der Zueignung des Bodens wird schwieriger, aber das Resultat reicher. Das zeigt sich darin, daß auch das Nicht-Seiende in seinem Sein erkannt, uns jedenfalls zur Frage gestellt wird. In beiden Fällen, wie überhaupt, zeigt sich, daß über das Seiende nur etwas ausgemacht werden kann hinsichtlich seines Seins, sofern das Seiende da ist, wie wir sagen, sofern das Seiende überhaupt begegnen kann. Es kommt lediglich darauf an, das begegnende Seiende in seiner nächsten und ursprünglichsten Begegnisart festzuhalten und innerhalb dieser zu fragen nach dem, als was es sich zeigt. Das ist die eine Richtung, in der die Frage nach dem Sinn des Seienden, nach dem Sein, gestellt wird.

[142] Die andere geht damit für eine konkretere Seinsforschung unmittelbar zusammen, sofern das begegnende Seiende — in der naiven Ontologie zunächst die Welt — begegnet und da ist im alltäglichen Dasein, das über die Welt spricht2, so daß zugleich das Besprechen und Ansprechen ein weiterer Leitfaden wird, an dem die Frage nach dem Sein sich orientiert. Es wird gefragt: Wie sieht das Seiende aus, sofern es Angesprochenes, Besprochenes, λεγόμενον, ist? Diese Frage nach dem Sein am Leitfaden des λέγειν ist zugleich der eigentliche Ursprung der Logik. Die »Logik« im griechischen Sinn hat zunächst gar nichts zu tun mit dem Denken, sondern steht ganz innerhalb der Aufgabe der Frage nach dem Sein. So ist der »Sophistes« und überhaupt die um ihn sich gruppierenden Dialoge Platos - ein bemerkenswerter Umschlag zwischen der Position des Parmenides und der des Aristoteles, die alle diese Ansätze der griechischen Ontologie vollende Diese Bedeutung des »Sophistes« zeigt sich freilich nur, wenn wir ihn ursprünglich genug fassen in dem, was gar nicht zum Austrag kam und auf dieser Position nicht zum Austrag kommen konnte. Es bleiben


2 Rb.Hs.: das »ist« im einfachen Sagen und Aussagen.


Martin Heidegger (GA 19) Platon Sophistes