d. h. sie bewegen sich nicht innerhalb eines bestimmten Gebietes, sondern machen Anspruch, über alles Rede und Antwort stehen zu können, — genau analog zu den Sophisten, die in der Art ihrer Erziehung den Anspruch machen, die jungen Leute so zu erziehen, daß sie in Stand gesetzt werden, über alles εὗ λέγειν, »gut zu verhandeln und zu reden«. Beiden, den Sophisten und den Dialektikern, ist es eigentümlich, κοινὸν δὲ πᾶσι τὸ ὄν ἐστιν (b20), »das Seiende im Ganzen zum Thema zu haben«, περί μέν γὰρ τό αὐτό γένος στρέφεται ἡ σοφιστική καὶ ἡ διαλεκτική τῇ φιλοσοφία (b22 sq). »Die Sophistik und die Dialektik bewegen sich innerhalb desselben Feldes des Seienden wie die Philosophie«, ihrem Anspruch nach. Alle drei nämlich, der Dialektiker, der Sophist und der Philosoph, beanspruchen, über das Ganze zu verhandeln.
Nun aber der Unterschied: ἀλλὰ διαφέρει τῆς μὲν τῷ τρόπῳ τῆς δυνάμεως (b23 sq), »die Philosophie unterscheidet sich von der einen, nämlich der Dialektik, τῷ τρόπῳ τῆς δυνάμεως, durch die Art und Weise des Könnens«; hinsichtlich dessen, wie weit sie beide zureichend sind, besteht ein Unterschied. Die Dialektik reicht nicht so weit, ist nicht so zureichend für ihre Aufgabe wie die Philosophie, die Dialektik nämlich ist in b25 πειραστική oder, wie Aristoteles in der »Topik« diesen Ausdruck umschreibt, πεῖραν λαβεῖν5, »den Versuch machen mit etwas«. Die Dialektik macht den Versuch — womit nämlich? — mit dem Aufzeigen des Seienden in seinem Sein, sie ist unterwegs zu diesem Ziel, aber sie reicht nicht aus. Hinsichtlich der Weite des Zureichens, des Ausmaßes, unterscheidet sich also die Dialektik von der eigentlichen Philosophie; sie bleibt ihr vor- und untergeordnet, τῆς δὲ τοῦ βίου τῇ προαιρέσει (b24), »von der anderen, nämlich von der Sophistik, unterscheidet sich die Philosophie in der Art des Vorwegnehmens der Existenzweise«, heißt es wörtlich übersetzt. Das will sagen: der βίος des Philosophen
3 Soph. Widerlegungen I, 11; 171b3 sq: τὸ φάναι ἢ ἀποφάναι ἀξιοῦν [... ] ἐστὶν [... ] πεῖραν λαμβάνοντος.