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Fixierung des thematischen Feldes

Diese Doppelung läßt sich weiter ins Mittelalter und bis in die neuzeitliche Ontologie verfolgen. Man hat versucht, zwischen Ontologie und Theologie bei Aristoteles zu vermitteln, um ein »abgerundetes Weltbild« des Aristoteles zu gewinnen. Dieser Weg ist für das Verständnis der Sachen, um die es sich handelt, unergiebig. Vielmehr ist die Frage zu stellen, warum die griechische Wissenschaft auf diesen Weg kam, so daß sie bei diesen beiden Fundamentalwissenschaften, Ontologie und Theologie, gleichsam landete. Die Theologie hat die Aufgabe, das Seiende als Ganzes, das ὅλον, das Seiende der Welt, die Natur, den Himmel und alles, was darunter ist, wenn wir ganz roh sprechen, in seinen Ursprüngen, in dem, wodurch es eigentlich ist, klar zu machen1. Es ist zu beachten, daß diese Aufklärung des Seienden im Ganzen, der Natur, durch den unbewegten Beweger nichts zu tun hat mit einem Gottesbeweis auf Grund eines Kausalschlusses. Die Theologie hat das Ganze, das ὅλον. zum Thema, und auch dir Ontologie hat das Ganze zum Thema und betrachtet seine ἀρχαί. Heide, Theologie und Ontologie, nehmen ihren Ausgang vom Seienden als Ganzen, als ὅλον; und es geht ihnen darum, das ὅλον, das Ganze im Ganzen als seiend zu verstehen. Warum kam die griechische Wissenschaft und Philosophie auf diese beiden Grundwissenschaften? Bei Plato sind sie noch ganz promiscue; sie sind bei ihm noch viel ungeklärter als bei Aristoteles; aber faktisch bewegt er sich schon in diesen beiden Dimensionen. Das ist nur verständlich zu machen aus dem Sinn, den Sein für die Griechen halle2. Das Seiende ist das, was im eigentlichen Sinne anwesend ist Die Theologie betrachtet das Seiende in dem, was es im vorhinein schon ist, was im eigentlichsten und höchsten Sinn die Anwesenheit der Welt ausmacht Die eigentlichste und höchste Anwesenheit des Seienden ist Thema der Theologie. Thema der


1 Heidegger ist in den folgenden Ausführungen an Met. XII, I; 1069a18 sqq orientiert.

2 s. Anhang.

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