Ontologie ist das Seiende, sofern es anwesend ist in allen seinen Bestimmungen, nicht zugeschnitten auf ein bestimmtes Gebiet, nicht nur der unbewegte Beweger und der Himmel, sondern auch, was unter dem Himmel ist, alles, was da ist, das mathematische Sein ebenso wie das physikalische. Für die Theologie also ist Thema die höchste und eigentlichste Anwesenheit, für die Ontologie das, was Anwesenheit als solche überhaupt ausmacht3. In diese beiden ursprünglichen Dimensionen der Besinnung über das Sein wird die Entwicklung der griechischen Wissenschaft gedrängt. Die eigentliche Schwierigkeit des Verständnisses dieser Sachen sowohl wie ihrer eigentlichen produktiven Ausbildung und Aneignung liegt nicht in der θεολογική, die innerhalb dieses Ansatzes für die Griechen sowohl wie für uns relativ klar ist, sondern in der Ontologie, genauer in der Frage: welchen Sinn haben die Charaktere des Seins, die universell jedem Seienden, sofern es ist, zukommen, im Hinblick auf das jeweilige konkrete Seiende? Später ist schulmäßig diese Frage so ausgedrückt worden: ob die allgemeinen Bestimmungen, die in der Ontologie über das Seiende in seinem Sein überhaupt gegeben werden, den Charakter von Gattungen haben, ob die Ontologie die Wissenschaft ist gewissermaßen von den obersten Gattungen alles dessen, was ist, oder ob diese Charaktere des Seins strukturmäßig ein anderes Verhältnis zum Seienden haben.
Wenn man die Entwicklung dieser ganzen Fragestellung, also die Grundfragestellung der Ontologie, von den Griechen und Aristoteles her bis in die Gegenwart überblickt, kann man sagen, daß wir in der Tat keinen Schritt vorwärts gekommen sind, ja, daß uns im Gegenteil die Position, die die Griechen erreicht hatten, verloren gegangen ist, daß wir also nicht einmal mehr diese Fragen verstehen. Die ganze Hegelsche »Logik« bewegt sich in einem vollständigen Un- und Mißverständnis aller dieser Fragen. Erst Husserl hat wieder im Zusammenhang
3 Rb. Hs.: Seiendes im Ganzen. Seiendes als solches.