Intendiertseins kommt es bei Brentano überhaupt nicht, d. h. die Intentionalität als solche, als Strukturganzheit, ist bei ihm nicht abgehoben. Das besagt aber weiter: Intentionalität ist zugleich mit dem Seienden, als dessen Charakter sie bestimmt wird; sie wird mit dem Psychischen identifiziert. Unerörtert ließ Brentano auch, wovon eigentlich die Intentionalität Struktur sein soll, und zwar insofern, weil er das Psychische im traditionellen Sinne des immanent Wahrnehmbaren, des immanent Bewußten (im Sinne der Descartes'sehen Theorie) in seine Theorie aufnahm. Der Charakter des Psychischen selbst blieb unbestimmt, so daß das, wovon die Intentionalität Struktur ist, nicht in der Weise ursprünglich vergegenwärtigt wurde, wie die Intentionalität es verlangt. Das ist ein Moment, das auch in der Phänomenologie heute noch nicht überwunden ist. Auch heute wird einfach die Intentionalität als Bewußtseinsstruktur gefaßt oder als Struktur der Akte, der Person, wobei wiederum diese beiden Wirklichkeiten, wovon Intentionalität Struktur sein soll, traditionell aufgenommen sind. Zwar versucht man in der Phänomenologie — Husserl sowohl wie Scheler — in zwei ganz verschiedenen Richtungen über die psychische Bedingtheit und über den psychischen Charakter der Intentionalität hinauszukommen; Husserl, indem er Intentionalität faßt als allgemeine Veimmftstruktur (Vernunft nicht als Psychisches, abgegrenzt gegen das Physische); Scheler, indem er sie als Struktur des Geistes oder der Person faßt, wiederum abgegrenzt gegen das Physische. Aber wir werden sehen, daß mit dem, was mit Vernunft, Geist, anima gemeint ist, der Ansatz, mit dem diese Theorien arbeiten, nicht überwunden ist. Ich weise darauf hin, weil wir sehen werden, wie die Phänomenologie mit dieser Bestimmung der Intentionalität innerhalb ihrer eine radikalere Ausbildung verlangt. Man darf also nicht, um die phänomenologische Intentionalität zu widerlegen, einfach Brentano kritisieren! Damit gibt man von vornherein das Thema aus der Hand.