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Ursprünglichere Explikation des Daseins

der Sorge im formalen Sinne: das Sich-vorwegsein es Daseins in seinem immer schon Sein bei etwas. Diese formale Struktur der Sorge betrifft jedes Verhalten. Es bestehen nur verschiedene Modi der einzelnen Strukturmomente der Sorge, so daß sie die Seinsarten des Dranges oder des Hanges annehmen kann. Wir werden diese beiden Phänomene uns noch genauer zu vergegenwärtigen haben, um dann zu verstehen, wie aus dieser Urstruktur des Seins des Daseins als Sorge sich nun allererst die spezifische Ganzheit des Phänomens des Daseins zusammenschließt. Die Ganzheit des Daseins soll nicht aus verschiedenen Seinsweisen und deren noch kommender Verkoppelung kombiniert werden, sondern umgekehrt so, daß wir jetzt mit der Sorge das Phänomen finden, von dem her nun die verschiedenen Seinsweisen als Seinsweisen, nämlich als Sorge verstanden werden können.

Sorge hat den formalen Charakter des Sich-selbst-vorweg-seins-im-schon-sein-bei etwas. Dieses Vorwegsein besagt die Struktur, daß Sorge immer Sein um etwas ist und zwar so, daß Dasein im Besorgen, in jeder Verrichtung, in jedem Anschaffen und Herstellen von etwas Bestimmtem zugleich sein Dasein mitbesorgt. Dieses Sich-vorweg-sein besagt eben, daß die Sorge oder das Dasein in der Sorge sein eigenes Sein sich vorweggeworfen als existenziale Faktizität hat. Das Aussein auf das eigene Sein, worum es ihm geht, vollzieht sich immer schon in einem Sein-bei etwas, aus einem Immer-schon-in-der-Welt-sein-bei. (Das In-Sein ist daher für jede Seinsart des Daseins konstitutiv — auch für eigentliches!) In der Struktur des ›Auf-etwas-aus-sein‹, was ich noch nicht habe, aber Aussein in einem Schon-sein-bei, das eo ipso Aussein auf etwas ist, kommt das Phänomen des Noch-nicht-habens von etwas, worauf ich aus bin, zum Vorschein. Dieses Phänomen des Noch-nicht-habens von etwas, als auf welches ich aus bin, bezeichnen wir als das Darben oder die Darbung. Es ist nicht einfach ein schlechthinniges, bloßes objektives Nicht-haben, sondern es ist immer ein Nicht-haben von etwas, worauf ich aus bin, und erst dadurch


Martin Heidegger (GA 20) Prolegomena zur Geschichte Zeitbegriffs

History of the Concept of Time pp. 294-295