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§ 33. Dasein als Ganzes

selbst, um durch diese einzelnen Schritte vor das Feld zu führen, von dem aus nun die Zeit in gewisser Weise selbst sichtbar wird. Es geht nicht so sehr darum, Resultate in Sätzen über die Zeit zu liefern, sondern darum, mit dieser Betrachtung die Augen für das Selbst-nachsehen und Selbstnachkontrollieren des bisher Gewonnenen zu öffnen.

Die Frage bleibt: Ist in den bisherigen Betrachtungen des Daseins dieses als ganzes so angesetzt, daß wir Anspruch darauf machen können, die bisher gewonnenen Seinscharaktere als solche zu nehmen, die das Dasein als solches voll bestimmen? Wenn das Sein des Daseins als Sorge interpretiert ist, so fragen wir: Gibt dieses Phänomen die Ganzheit der Seinsstrukturen her, oder führt nicht gerade die Herausarbeitung dieses Phänomens der Sorge zu der Einsicht, daß in der bisherigen Betrachtung das Dasein als ganzes gerade nicht in die Vorhabe gestellt war, ja daß das Ganze des Daseins nicht nur nicht faktisch gewonnen ist, sondern, gerade wenn Sorge die Grundstruktur seines Seins ausmacht, grundsätzlich nicht gewonnen werden kann? Anders formuliert, sofern Dasein sich zeigt, in dieser Seinsstruktur Sorge, widersetzt es sich gerade der Möglichkeit, es je in seiner Gänze zu fassen und so in die Vorhabe zubringen.

Abhebung der echten Seinsganzheit verlangt die Gegebenheit des Seienden als ganzes. Insofern als die Sorge als Sein dieses Seienden sichtbar wurde, besagt das: Das Ganze ist grundsätzlich nie gegeben; die vermeintliche Abhebung ist prinzipiell unmöglich. Im Blick auf das Dasein selbst und die bisherige Herausarbeitung wird darüber volle Klarheit gewonnen: Das Sein dieses Seienden ist Sorge; Sorge besagt unter anderem: Aussein auf etwas; in seinem Besorgen besorgt das Dasein sein eigenes Sein mit. Als Aussein auf etwas ist es Aussein auf das, was es noch nicht ist. Als Sorge ist das Dasein wesensmäßig unterwegs zu etwas, sorgend ist es zu ihm selbst als das, was es noch nicht ist. Sein eigener Seinssinn ist es gerade, immer noch etwas vor sich zu haben, was es noch nicht


Martin Heidegger (GA 20) Prolegomena zur Geschichte Zeitbegriffs