III. Definition der ἐπιστήμη: ἀληθὴς δόξα μετὰ λόγου
(cap. 39-43, 201 e-210 b)
§ 47. Allgemeine Charakteristik der These:
Wissen ist wahre δόξα μετὰ λόγου. Auslegung und Nennung
μετὰ λόγου1, so, daß Aufweisung des Seienden selbst für die Seele selbst dabei ist, daß sie sich selbst offenbar macht das Seiende in seiner Entdecktheit; sofern Seiendes als seiend, als so und so seiend, Seiendes als. Das ist der sachliche Sinn, der freilich noch nicht scharf heraustritt, weil es Plato nicht gelingt, den λόγος, selbst eindeutig zu fassen. Jedoch Definition in »Menon«2. Immer ist schon darauf hinzuweisen, daß Plato seine eigene Definition zur Kritik stellt. Aber doch hat λόγος auch andere Bedeutung: einfach Erfassen des Was, Sokratischer λόγος. Jetzt aber positiv!
Bei der Erörterung der ψευδὴς δόξα zeigt sich: Im Hintergrund steht das Problem des ἔτερον, etwas anstelle des anderen, etwas als etwas anderes, μὴ ὄν, und zwar in bezug auf den λόγος. Antisthenes: Identifizierung, Tautologie des Subjekts mit ihm selbst3; überhaupt kein Mensch, weil kein Psychisches [?]. λόγος, wird im Verlauf dieser Erörterung genauer charakterisiert, obzwar nicht in seiner Struktur, sondern als die Grundhandlung der Seele selbst.
Jetzt wird offensichtlich der λόγος selbst zum Thema, ausdrücklich, als charakteristisches Moment der ἀληθὴς δόξα. Und der λόγος — wenn unsere Grundauffassung des Dialogs richtig ist — ist ontologisch, wieder auf das allgemeine Seinsproblem orientiert, d. h. auf die Frage nach dem μὴ ὄν bzw. ἔτερον, überhaupt πρὸς τι.
1 Vgl. Aristoteles, Ethica Nicomachea. Recogn. F. Susemihl. Leipzig 1882, VI, 1140 b 20: ἕξις τοῦ ἀληθεύειν μετὰ λόγου.
2 97 b sqq.
3 Mullach, Fragmenta, Antisthenes, Frgm. 47, Vol. II, S. 282 sq.; Aristoteles, Met. Δ 29, 1024 b 32 sqq: μηδὲν ἀξιῶν λέγεσθαι πλὴν τῷ οἰκείῳ λόγῳ, ἓν ἐφ᾽ ἑνός.