228
Anhang

da Materie und Geist noch ungetrennt sind: Hylozoismus. Die Bezeichnung ist mißverständlich, wenn man sich in dieser Einheit die beiden Prinzipien schon an sich getrennt denkt.

Mit der Ansetzung des Prinzips überhaupt fragt Thales nach einem Beständigen gegenüber dem Wechsel; Frage nach der Beständigkeit und Bestand überhaupt. Dazu mußte erst der Unterschied zwischen Beständigem und Wechselndem theoretisch fixiert werden.


22. (zu S. 53 j)


Anaximander ist der eigentlich philosophische Denker unter den milesischen Naturphilosophen (geboren ca. 611 v. Chr.). Anaximander setzt als ἀρχή das ἄπειρον an. Maßgebend ist dafür die Überlegung: Das Seiende bewegt sich in stetem Wechsel und Gegensatz. Es muß ein Seiendes zugrunde liegen, das diesen Wechsel ermöglicht und in gewissem Sinne unerschöpflich ist, das in räumlicher und zeitlicher Erstreckung immer neue Gegensätze gewährleistet. Dann muß es vor allen Gegensätzen liegen und darf nicht ein bestimmtes Seiendes sein wie das Wasser (so Thales). Die ἀρχή muß sein 1. etwas, das keine Bestimmung hat im Sinne eines Gegensatzgliedes; sie muß unbestimmt sein. 2. Aber es muß jenseits jedes Gegensatzes liegen und unerschöpflich sein. Aristoteles, Phys. Γ 4, 203 b 18 sqq.: Grund für die Ansetzung des ἄπειρον: »Nur wenn unbestimmt endlos ist dasjenige, woher jedes Werdende entsteht, ist gesichert, daß Entstehen und Vergehen selbst nie ausgehen.«

Anaximander denkt sich das Ganze des Seienden so, daß um die bekannte Welt herum nach jeder Richtung unzählbare andere Welten gleichzeitig sind. Diese unzähligen Welten umschließt alle das ἄπειρον. Er bezeichnet diese Welten noch als θεοί, aber das hatte keinen religiösen Sinn: nicht Gegenstände der Anbetung, θεός ist nur das höchste und eigentlich Seiende. Naive Kosmologie. Aber damit, daß er über jedes bestimmte

GA 22