153
§ 11. Phänomenologische Klärung

dinge, mit denen wir ständig zu tun haben, das Ganze der seienden Dinge, die selbst ihrem eigenen Sinne nach aufeinander eingespielt sind, das gebrauchte Zeug und die ständig genützten Erzeugnisse der Natur: Haus und Hof, Wald und Feld, Sonne, Licht und Wärme. Was so vor-handen ist, gilt der alltäglichen Erfahrung als das in erster Linie Seiende. Das verfügbare Hab und Gut, die Habe, ist das Seiende schlechthin, griechisch οϋσία. Dieser Ausdruck οὐσία bezeichnet noch in der Zeit des Aristoteles, als er schon eine feste philosophischtheoretische terminologische Bedeutung hatte, zugleich soviel wie Habe, Besitzstand, Vermögen. Die vorphilosophische echte Bedeutung von οὐσία hielt sich noch durch. Demnach bedeutet Seiendes soviel wie vorhandenesVerfügbares. Essentia ist nur die wörtliche Übersetzung von οὐσία. Dieser Ausdruck essentia, den man für das Wassein, für die Realität gebraucht, drückt zugleich die spezifische Seinsart des Seienden aus, seine Verfügbarkeit, oder wie wir auch sagen, seine Vorhandenheit, die ihm aufgrund seiner Hergestelltheit eignet.

Die Bestimmungen der essentia sind im Hinblick auf das im Herstellen Hergestellte bzw. auf das, was zu diesem als Herstellen gehört, erwachsen. Der Grundbegriff der οὐσία betont dagegen mehr die Hergestelltheit des Hergestellten im Sinne des verfügbaren Vorhandenen. Dabei ist das zunächst Vorhandene gemeint, Haus und Hof, das Anwesen, wie wir auch sagen, das Vorhandene als das Anwesende. Von der Bedeutung der οὐσία als Vorhandenes und Anwesendes her muß das Verbum ειναι, esse, existere interpretiert werden. Sein, Wirklichsein, Existieren im traditionellen Sinne besagt Vorhandenheit. Aber das Herstellen ist nicht der einzige Horizont für die Interpretation der existentia. Das Vorhandene wird hinsichtlich seiner Vorhandenhext ontologisch nicht so sehr mit Rücksicht auf die Verfügbarkeit für den Gebrauch gefaßt, nicht im Rückgang auf das herstellende, überhaupt das praktische Verhalten, sondern im Rückgang auf das Vorfinden des Verfügbaren. Aber auch dieses Verhalten, das Vorfinden des Herge-


Martin Heidegger (GA 24) Die Grundprobleme der Phänomenologie