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§ 16. Erörterungen in der Geschichte der Logik
Sechstens: Das Wahrsein ist — damit gehen wir zu Aristoteles 
zurück — der Ausdruck eines Seienden, das nur im Denken 
ist, nicht aber in den Dingen.
Zusammenfassend gesagt: Im ›ist‹ liegt beschlossen: 
1. Etwas-sein (zufälliges), 2. Was-sein (notwendiges), 3. Wie-sein, 
4. Wahr-sein. Sein von Seiendem besagt: Washeit, Wieheit, 
Wahrheit. Weil alles Seiende durch das Was und das Wie 
bestimmt ist und als Seiendes in seinem Wassein und Wiesein 
enthüllt ist, ist die Kopula notwendig mehrdeutig. Diese Mehrdeutigkeit 
aber ist kein ›Mangel‹, sondern nur der Ausdruck 
der in sich vielfältigen Struktur vom Sein eines Seienden — 
mithin des Seinsverständnisses überhaupt.
Die Frage nach dem Sein als Kopula ist nach den gegebenen 
Darstellungen an der Aussage und Aussage-Wahrheit, genauer 
am Phänomen der Verbindung von Worten orientiert. Die 
Charakteristik des ›ist‹ als Kopula ist keine zufällige Namensgebung, 
sondern der Ausdruck dafür, daß die Interpretation 
dieses als Kopula bezeichneten ›ist‹ sich an der ausgesprochenen, 
als Wortfolge geäußerten Aussage orientiert.
Es ist zu fragen: Trifft diese Kennzeichnung des ›ist‹ als 
Kopula den ontologischen Sinn des mit dem ›ist‹ ausgedrückten 
Seins? Kann der Ansatz der traditionellen Fragestellung 
bezüglich des ›ist‹ festgehalten werden, oder beruht nicht 
gerade die Verwirrung des Kopula-Problems darin, daß man 
dieses ›ist‹ im vorhinein als Kopula charakterisiert und darauf 
hin alle weiteren Problemstellungen einrichtet?
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