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Ontologische Differenz

es etwa gegenüber einem Geldstück zu unterscheiden. Die Uhr ist für uns aber auch nicht Gegenstand, so wie sie für den Uhrmacher Gegenstand ist. Von ihm wird sie gerade nicht als das Zeug, das sie ist, gebraucht. Im Uhrgebrauch nehmen wir die Uhr zwar wahr, aber nur so und einzig so, um uns von ihr auf etwas bringen zu lassen, was die Uhr selbst nicht ist, sondern was sie als Uhr zeigt: die Zeit. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Es gilt, den Uhrgebrauch in seiner ursprünglichen Seinsart zu fassen. Bei der Zeitablesung im Uhrgebrauch bin ich auch nicht auf die Zeit als den eigentlichen Gegenstand des Sehens gerichtet. Weder die Uhr noch die Zeit mache ich zum Thema der Betrachtung. Wenn ich auf die Uhr sehe, frage ich z. B., wieviel Zeit mir noch bleibt bis zum festgesetzten Schluß der Vorlesung. Ich suche nicht die Zeit als solche, um mich mit ihr zu beschäftigen, im Gegenteil, beschäftigt bin ich mit einer phänomenologischen Darstellung. Es geht mir darum, sie zum Abschluß zu bringen. Die Zeit feststellend suche ich zu bestimmen, wieviel Uhr es ist, d. h. wieviel Zeit noch bis neun Uhr bleibt, um dies und das zu erledigen. Die Zeit feststellend, suche ich nach dem Wieviel der Zeit bis da und dahin, so daß ich sehe: ich habe noch Zeit, so viel Zeit, um das und das zu erledigen. Ich frage bei der Uhr an in der Absicht zu bestimmen, wieviel Zeit ich noch habe, um das und das zu tun. Die Zeit, die ich zu bestimmen suche, ist immer >Zeit zu<, Zeit, um das und das zu tun, Zeit, die ich brauche, um, Zeit, die ich mir lassen kann, um das und das zu bewerkstelligen, Zeit, die ich mir nehmen muß, um das und das durchzuführen. Das Auf-die-Uhr-sehen gründet in und entspringt aus einem >SichZeit-nehmen<. Damit ich mir Zeit nehmen kann, muß ich sie irgendwoher haben. Wir haben in gewissem Sinne immer Zeit. Daß wir oft oder meist keine Zeit haben, ist nur ein privativer Modus des ursprünglichen Habens von Zeit. Die Zeitablesung im Uhrgebrauch ist fundiert in einem Sich-Zeit-nehmen, oder wie wir auch sagen, im ›Rechnen mit der Zeit‹. Wir müssen hier >Rechnen< nicht im Sinne des Zählens, sondern

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