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Ontologische Differenz

in der Zeitigung der Zeitlichkeit, die sich als solche auf Praesenz versteht. Als Entrückung zu... ist die Gegenwart ein Offensein für Begegnendes, das somit im vorhinein auf Praesenz hin verstanden ist. Alles, was im Gegenwärtigen begegnet, ist aufgrund des in der Ekstase schon entrückten Horizontes, Praesenz, als Anwesendes, d. h. auf Anwesenheit hin verstanden. Sofern Zuhandenheit und Abhandenheit so etwas wie Anwesenheit und Abwesenheit, d. h. so und so modifizierte und modifikable Praesenz bedeuten, ist das Sein des innerweltlich begegnenden Seienden praesential, und das heißt grundsätzlich temporal entworfen. Sein verstehen wir demnach aus dem ursprünglichen horizontalen Schema der Ekstasen der Zeitlichkeit. Die Schemata der Ekstasen sind von diesen struktural nicht abzulösen, wohl aber kann die verstehende Orientierung dem Schema als solchem primär zugewendet sein. Die so primär auf die horizontalen Schemata der Zeitlichkeit als Bedingungen der Möglichkeit des Seinsverständnisses hin genommene Zeitlichkeit macht den Gehalt des allgemeinen Begriffs der Temporalität aus. Temporalität ist Zeitlichkeit mit Rücksicht auf die Einheit der ihr zugehörigen horizontalen Schemata, in unserem Falle Gegenwart mit Rücksicht auf Praesenz. Je nach der Zeitigungsart der Zeitlichkeit, die sich immer in der Einheit ihrer Ekstasen zeitigt, so daß der Vorrang einer Ekstase jeweils die anderen mitmodifiziert, variieren auch die inneren temporalen Zusammenhänge der horizontalen Schemata der Zeit.

Die Zeitlichkeit ist in ihrer ekstatisch-horizontalen Einheit die Grundbedingung der Möglichkeit des έπέκεινα, d. h. der das Dasein selbst konstituierenden Transzendenz. Die Zeitlichkeit ist selbst die Grundbedingung der Möglichkeit alles in der Transzendenz gründenden Verstehens, dessen Wesensstruktur im Entwerfen liegt. Rückwärts gewendet können wir sagen: Die Zeitlichkeit ist in sich der ursprüngliche Selbstentwurf schlechthin, so daß, wo immer und wann immer Verstehen - wir sehen von den anderen Momenten des Daseins


Martin Heidegger (GA 24) Die Grundprobleme der Phänomenologie

Basic Problems of Phenomenology p. 306

GA 24