Vermögen der Begriffe, d. h. der Gegenstandsbestimmung; allgemein gesagt ist er das Vermögen der Regeln, und als dieses Vermögen untersucht er selbst diese Regeln. Die Regeln — die Gesetze des Denkens, die jedes Denken als solches regeln, ganz abgesehen davon, was je gedacht wird — sind demnach Regeln, die nicht primär auf Gegenstände bezogen sind, d. h. die Regelung des Denkvollzuges überhaupt erfolgt jedenfalls nicht von der Sachhaltigkeit der Gegenstände her. Gleichwohl muß sich alles Denken, worauf immer es sich beziehen mag, nach diesen allgemeinen Regeln richten. Anders gewendet: Das Denken kann nicht gleichsam seinem eigenen Wesen zuwider handeln, den Gesetzen widerstreben, die zu einem Denken überhaupt gehören.
Diese Regeln betreffen aber nur die Form des Denkens überhaupt. Sie regeln die Einstimmigkeit des Denkens lediglich mit sich selbst — die Richtigkeit. Die Befolgung dieser formalen Regeln entscheidet noch nicht darüber, ob das dergestalt richtige Denken auch den Gegenständen angemessen ist. Ein in sich einstimmiges Denken· kann sehr wohl den gegenständlichen Sachverhalten widerstreiten, falsch sein. Die Richtigkeit des Denkens ist demnach zwar ein notwendiges, aber nicht hinreichendes Kennzeichen der Wahrheit einer denkenden Anschauung, d. h. einer Erkenntnis — oder wie Kant sagt: »das bloß logische Kriterium der Wahrheit ... , die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller Wahrheit«1. Ein weiteres Kennzeichen der Wahrheit, einen anderen Probierstein als die formale Richtigkeit, vermag die allgemeine Logik nicht bereitzustellen. Denn Wahrheit ist »die Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstande«2.
Diese Definition der Wahrheit ist für Kant so selbstverständlich, daß er sie gar nicht weiter diskutiert. Die Umgrenzung der Wortbedeutung von >Wahrheit< »wird hier geschenkt,
1 K. d. r. V. B 84, A 59 f.
2 a. a. O. B 82, A 58