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§ 13. Die Transzendenz und das Wesen des Grundes

in sich selbst ein Überschwingen in Möglichkeiten. Sofern nun die Freiheit (transzendental genommen) das Wesen des Daseins ausmacht, ist dieses als existierendes wesensnotwendig immer >weiter< als jegliches faktische Seiende. Aufgrund dieses Überschwunges ist das Dasein jeweils dem Seienden über, wie wir sagen, aber freilich gerade so, daß es das Seiende in dem Widerstand allererst erfährt als das, wogegen das transzendierende Dasein ohnmächtig ist. Die Ohnmacht ist metaphysisch, d. h. als wesenhaft zu verstehen: sie kann nicht widerlegt werden durch den Hinweis auf die Naturbeherrschung, auf die Technik, die heute wie eine entfesselte Bestie in die >Welt< hinein wütet; denn diese Herrschaft ist der eigentliche Beweis für die metaphysische Ohnmacht des Daseins, das die Freiheit nur in seiner Geschichte sich gewinnt.

NB. Freilich sind Natur- und Geisteswissenschaften nicht zwei verschiedene Wissenschaftsgruppen, die sich in ihrer Begriffsbildung und Beweisart unterscheiden, oder darin, daß die einen mit Schwefelwasserstoff und die anderen etwa mit Gedichten sich beschäftigen, sondern sie sind als Grundmöglichkeiten der freien Auseinandersetzung des metaphysischen Wesens des Daseins mit seiner Welt in sich einig und dasselbe.

Und nur weil wir im faktischen intentionalen Verhalten zum Seienden jeglicher Art zuvor überschwingend aus Möglichkeiten darauf zurück- und zukommen, deshalb können wir das Seiende selbst das sein lassen, was und wie es ist. Und umgekehrt: weil das transzendierende Dasein als faktisch existierendes je schon mit Seiendem sich auseinandersetzt, und daher, metaphysisch genommen, die Ohnmacht gegenüber dem Seienden mit der Transzendenz und dem Welteingang offenkundig ist, deshalb muß sich das Dasein, das (metaphysisch) nur als freies ohnmächtig sein kann, an die Bedingung der Möglichkeit seiner Ohnmacht halten: an die Freiheit zum Grunde. Und deshalb stellen wir wesenhaft jedes Seiende als Seiendes unter die Frage nach seinem Grunde.


Martin Heidegger (GA 26) Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz

The Metaphysical Foundations of Logic pp. 215-216

GA 26