EINFÜHRUNG


Die Aufgabe einer Einleitung in die Philosophie


§ 1. Menschsein heißt schon philosophieren


Die Aufgabe dieser Vorlesung ist eine Einleitung in die Philosophie. Wenn Sie die Absicht haben, sich in die Philosophie einführen zu lassen, dann liegt dem die Voraussetzung zugrunde, daß wir zunächst »außerhalb« der Philosophie stehen. Daher bedarf es eines Weges, der von diesem Standort außerhalb der Philosophie in das Gebiet der Philosophie über- und hineinleitet.

Das scheint ein so einfacher Tatbestand, daß man ihn nur anzudeuten braucht, um ihn als einen selbstverständlichen Ansatz der Einleitung in die Philosophie zu verstehen. Der Weg der Einleitung solle in das Gebiet der Philosophie führen. Damit wir aber die Richtung des Weges nicht verfehlen, müssen wir im voraus das Ziel kennen. Also bedürfen wir schon vor der Einleitung und für sie einer vorausgehenden Vorstellung davon, was Philosophie ist. Damit kommt eine Schwierigkeit in das ganze Vorhaben, aber nur scheinbar; denn wir sind ja nicht völlig vom Gebiet der Philosophie abgeschnürt. Wir haben gewisse Kenntnisse von dem, was heute als Philosophie gilt bzw. wir können uns in der philosophischen Literatur darüber ungefähr orientieren, was Philosophie bedeutet. Wir haben überdies in den Handbüchern der Geschichte der Philosophie ein Mittel, uns über diesen oder jenen Philosophen, dieses oder jenes System Auskunft zu beschaffen. Schwierig wird die Aufgabe freilich wieder, wenn wir vor die Entscheidung kommen, welcher der Philosophen nun maßgebend sein soll: Kant oder Hegel, Leibniz oder Descartes, Platon oder Aristoteles. Aber


Martin Heidegger (GA 27) Einleitung in die Philosophie page 1