Tendenz der Rede wäre. Aufweisend ist nur derjenige λόγος, bei dem so etwas vorkommt wie das Wahr- oder Falschsein. In derjenigen Rede, die wahr oder falsch ist, d.h. in der Aussage, im Satz, liegt so etwas wie eine Synthesis, ein Zusammensetzen. So sagt Aristoteles an späterer Stelle: Wahrheit oder Falschheit gibt es nur im Umkreis der Synthesis, d.h. der Verbindung, des Zusammensetzens von Subjekt und Prädikat. Diese Synthesis nennt er auch συμπλοκή, d.h. die Verflechtung, das Zusammenflechten von zwei Vorstellungen bzw. zwei Begriffen.
Damit die Auswirkung dieser Auffassung von Wahrheit als Satzwahrheit und vom Satz als Verbindung von Vorstellungen deutlich wird, sei auf eine Definition der Wahrheit verwiesen, die Leibniz gegeben hat: »Semper igitur praedicatum seu consequens inest subjecto seu antecedenti«, immer also ist das Prädikat oder das nachfolgende Wort im Subjekt, d.h. im vorausgehenden, erstgesprochenen Wort drin (inest); »et in hoc ipso consistit natura veritatis in universum«, und darin besteht die Natur der Wahrheit im allgemeinen, überhaupt, die »natura veritatis in universum seu connexio inter terminos enuntiationis, aut etiam Aristoteles observavit«.1 Leibniz nennt also die Wahrheit des Satzes hier connectio, das ist einfach die lateinische Übersetzung von σύνθεσις. Die Wahrheit ist connectio von zwei Begriffen oder Ausdrücken. Die Wahrheit gehört zur enuntiatio, zur Auslage.
Schließlich sei auf einen Beleg aus Kant, Logikvorlesung § 17, verwiesen: »Ein Urteil ist die Vorstellung der Einheit des Bewußtseins verschiedener Vorstellungen oder die Vorstellung des Verhältnisses derselben, sofern sie einen Begriff ausmachen.«2 Kant sagt auch ganz kurz: Ich denke = ich urteile = ich verbinde, nämlich Prädikat und Subjekt. Im Verbinden ist also nach der allgemeinen Auffassung der Ort der Wahrheit.
1 Opuscules et fragments inédits de Leibniz, ed. Louis Couturat. Paris 1903, P "518/9 Primae veritates. Phil. VIII,'6.
2 Immanuel Kants gesammelte Schriften. Hrsg. von der Königlich preußischen Akademie der Wissenschaften. Bd. IX, Berlin 1923, S. 101.