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Wahrheit und Sein

Vorhandenem (eine mögliche Weise des Miteinanderseins bzw. notwendig zu ihm gehörig), als eine Art des Seins. Wahrheit ist demnach konstitutiv für die Struktur des Miteinanderseins als einer wesentlichen Seinsart des Daseins.


b) Die Unverborgenheit von Vorhandenem


Wahrheit (Unverborgenheit) gehört demnach zum Dasein selbst, zu dem, was dieses Seiende und wie es ist, existiert. Wie gehört nun Wahrheit (Unverborgenheit) zum Dasein, das wir selbst sind? Wenn wir diese Frage jetzt zu beantworten suchen, dann erinnern wir uns, daß wir vordem schon die Wahrheit qua Unverborgenheit dem Vorhandenen zugewiesen haben, sagten wir doch: Das Seiende selbst ist primär wahr und nicht der Satz darüber. Die Unverborgenheit »gehört« demnach zum Vorhandenen, und nun soll sie als konstitutiv für das Miteinandersein des Daseins zu diesem gehören. »Gehört« sie demnach sowohl zum Vorhandenen als auch zum Dasein, oder liegt sie gar gleichsam »zwischen« dem Vorhandenen und dem Dasein? Wie gehört die Unverborgenheit zum vorhandenen Ding, gehört sie überhaupt zu ihm? Und was heißt hier »gehören«?

Es ergab sich doch: Die Unverborgenheit der Kreide ist nichts, was an ihr vorhanden wäre; wir können die Unverborgenheit nicht als etwas Vorhandenes an der Kreide feststellen, etwa mit der Kreide hin- und herbewegen oder sie beim Schreiben abnützen. Ja, auf Grund der Unverborgenheit der Kreide erfassen wir gerade, daß dieses Seiende nicht erst dadurch zu dem wird, was und wie es ist, daß es für uns unverborgen ist, und daß es entsprechend auch nicht aufhört, das zu sein und so zu sein, was und wie es ist, dadurch, daß es uns verborgen ist.

Wenn wir angeben sollen, was eine Kreide überhaupt ist, dann kommt in dieser Definition ganz gewiß nicht die Unverborgenheit vor. Kreide ist nicht notwendig unverborgen; ihr Wesen läßt es zu, auch verborgen zu sein; Unverborgenheit ist keine Wesensbestimmung von Kreide als Kreide, auch nicht

GA 27