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Wahrheit — Dasein — Mit-sein

das Dasein, sowohl das als Ich fungierende als auch das Du, als Miteinandersein bestimmt ist, ja noch mehr: Sogar die Selbsterfassung eines Ich und der Begriff von Ichheit erwächst erst auf dem Grunde des Miteinander, aber nicht als Ich-Du-Beziehung.

Es ist gleich irrig, das Miteinander erst von einem Ichrumpf aus entstehen zu lassen, wie zu meinen, die Ich-Du-Beziehung sei die Basis, um von ihr aus das Dasein als solches zu bestimmen; statt des egoistischen solipsistischen Ansatzes ein Altruismus — so wird der Fehler nur verdoppelt, und es gibt einen Solipsismus zu zweien. Ebenso irrig ist es, das Miteinander als alleiniges Prinzip anzusehen.

In seinem Wesen ist das Seiende, das wir je sind, der Mensch, ein Neutrum. Wir nennen dieses Seiende: das Dasein. Aber zum Wesen dieses Neutrums gehört es, daß es, sofern es je faktisch existiert, notwendig seine Neutralität gebrochen hat, d.h. das Dasein ist als faktisches je entweder männlich oder weiblich, es ist Geschlechtswesen; das schließt ein ganz bestimmtes Mitund Zueinander in sich ein. Die Grenze und Weite der Auswirkung dieses Charakters ist faktisch je verschieden; es läßt sich nur zeigen, welche Möglichkeiten der menschlichen Existenz nicht notwendig durch das Geschlechtsverhältnis bestimmt sind. Allein, gerade dieses Geschlechtsverhältnis ist nur möglich, weil das Dasein in seiner metaphysischen Neutralität schon durch das Miteinander bestimmt ist. Wäre nicht schon jedes Dasein, das faktisch je männlich oder weiblich ist, seinem Wesen nach miteinander, dann bliebe ein Geschlechtsverhältnis als menschliches schlechthin unmöglich.

Es ist daher der gröbste Widersinn, der sich ausdenken läßt, wenn man versucht, das Miteinander als Wesensbestimmung des Daseins umgekehrt aus dem Geschlechtsverhältnis zu erklären. Ludwig Feuerbach hat in einer blinden und unzureichenden Opposition gegen den deutschen Idealismus diesen Irrtum aufgebracht, einen Irrtum, den man heute zu erneuern versucht, der aber nicht dadurch zur Wahrheit wird, daß man die groben Materialismen Feuerbachs mit Hilfe der heutigen

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