a) Zeitvertreib als zeitantreibendes' Wegtreiben
der Langeweile
Wir sitzen z. B. auf einem geschmacklosen Bahnhof einer verlorenen Kleinbahn. Der nächste Zug kommt erst in vier Stunden. Die Gegend ist reizlos. Wir haben zwar ein Buch im Rucksack – also lesen? Nein. Oder eine Frage, ein Problem durchdenken? Es geht nicht. Wir lesen die Fahrpläne oder studieren das Verzeichnis der verschiedenen Entfernungen dieser Station zu anderen Orten, die uns gar nicht weiter bekannt sind. Wir sehen auf die Uhr -gerade erst eine Viertelstunde vorbei. Also hinaus auf die Landstraße. Wir laufen hin und her, nur um etwas zu treiben. Aber es hilft nichts. Nun zählen wir die Bäume an der Landstraße, sehen wieder auf die Uhr – gerade fünf Minuten, seit wir sie befragten. Des Hin- und Hergehens überdrüssig, setzen wir uns auf einen Stein, zeichnen allerlei Figuren in den Sand und ertappen uns dabei, d~ wir schon wieder nach der Uhr gesehen haben – eine halbe Stunde – und so fort.
Eine alltägliche Situation mit den bekannten banalen, aber ganz spontanen Formen des Zeitvertreibs. Was vertreiben wir uns da eigentlich? Diese Frage ist merkwürdig doppelsinnig. Wie das Wort sagt: Wir vertreiben uns die Zeit. Aber was heißt hier: die Zeit vertreiben? Wir verscheuchen doch nicht die Zeit. Vertreiben heißt hier, sie herumtreiben, sie dazu treiben, antreiben, daß sie herumgeht. Dieses Vertreiben der Zeit ist aber in sich eigentlich ein Vertreiben der Langeweile, wobei Vertreiben jetzt heißt: Weg-treiben, Verscheuchen. Zeitvertreib ist ein Zeit antreibendes Wegtreiben der Langeweile.
Was suchen wir da zu verjagen, indem wir die Zeit herumbringen wollen – d. h. was ist die Zeit? Im Zeitvertreib verjagen wir nicht die Zeit. Nicht nur deshalb nicht, weil das am Ende überhaupt unmöglich ist, sondern weil die ganze Haltung des Zeitvertreibs – wie wir noch sehen werden – nicht eigentlich auf die Zeit gerichtet ist, obwohl wir dabei ständig