§ 46.
Die These ›das Tier ist weltarm‹
im Verhältnis zur These ›der Mensch ist weltbildend‹.
Das Verhiiltnis von Weltarmut und Weltbildung
keine abschätzige Stufenordnung.
Weltarmut als Entbehren von Welt
Wenn wir von dieser grundsätzlichen Erwägung zurückkehren zu unserer These: das Tier ist weltarm, so muß gesagt werden: Die Möglichkeit ihrer illustration ist weitgehend gefördert durch die neuere Forschung der Biologie, vorausgesetzt, daß man diese mit philosophischem Blick zu lesen vermag. Zugleich ist die These derart, daß sie, wie jede metaphysische These, die positive Forschung zu einer grundsätzlichen Besinnung zwingen kann. Ja, auf den ersten Blick scheint diese These gerade den eindringlichsten grundsätzlichen biologisch-zoologischen Besinnungen zuwiderzulaufen, wenn wir daran denken, daß es seit J. v. Uexküll üblich geworden ist, von einer Umwelt der Tiere zu sprechen. Unsere These dagegen lautet: das Tier ist weltarm. Es wäre lehrreich und auch für das Verständnis unserer Problematik förderlich, wenn wir uns jetzt auf einen ausführlichen und zugleich schon philosophisch interpretierenden Bericht über die neue Theorie des Lebens einlassen könnten. Darauf muß hier verzichtet werden. Wir dürfen das um so mehr, als das Hauptgewicht der Betrachtungen nicht auf einer thematischen Metaphysik des Lebens (Tier und Pflanze) ruht.
Wir stellen die These: das Tier ist weltarm, zwischen die beiden anderen: der Stein ist weltlos, der Mensch ist weltbildend. Nehmen wir die zweite These im Verhältnis zur dritten, dann wird sofort klar, was gemeint ist. Weltarm — Armut unterschieden gegen Reichtum; Armut — das Weniger gegenüber dem Mehr. Das Tier ist weltarm. Es hat weniger. Wovon? Von solchem, das ihm zugänglich ist, von solchem, womit es als Tier umgehen kann, wovon es als Tier angegangen werden kann, wozu es als Lebendiges in Beziehung steht.