das Wesen des Menschen höher als das Wesen des Tieres? All-das ist fraglich schon als Frage.
Aber nicht nur im Verhältnis von Tier und Mensch ist diese geläufige Abschätzung fragwürdig und daher auf Recht und Grenzen und Leistung zu prüfen. Die Fragwürdigkeit besteht auch für die Beurteilung innerhalb des Tierreiches selber. Zwar sind wir auch hier gewohnt, von höheren und niederen Tieren zu sprechen, und doch ist es ein Grundirrtum, zu meinen, Amöben und Infusorien seien unvollkommenere Tiere als Elefanten und Affen. Jedes Tier und jede Tierart ist als solche gleich vollkommen wie die andere. Mit all dem Gesagten wird deutlich: Die Rede von Weltarmut und Weltbildung ist von vornherein nicht im Sinne einer abschätzigen Stufenordnung zu nehmen. Zwar wird ein Verhältnis und Unterschied ausgedrückt, aber in anderer Hinsicht. In welcher? Diese suchen wir eben. Dazu ist es notwendig, daß wir auch den Begriff der Armut angemessen bestimmen und ihm im Zusammenhang mit dem Phänomen der Welt die spezifische Bedeutung geben, um damit die These von der Weltarmut zu begreifen.
Das Arme ist keineswegs das bloße ›Weniger‹, das bloße ›Geringer‹ gegenüber dem ›Mehr‹ und dem ›Größer‹. Armsein heißt nicht einfach, nichts oder wenig oder weniger besitzen als der andere, sondern Armsein heißt Entbehren. Dieses Entbehren wiederum ist in verschiedener Weise möglich — in der Hinsicht, wie der Arme entbehrt, sich im Entbehren verhält, wie er sich dazu stellt, wie er das Entbehren nimmt, kurz, was er entbehrt und vor allem wie, nämlich wie ihm dabei zu Mute ist — Ar-mut. Zwar gebrauchen und verstehen wir Armut selten in diesem eigentlichen, auf das Armsein des Menschen bezogenen Sinne, sondern wir gebrauchen es mehr in der erweiterten abgeschliffenen Bedeutung von arm, ärmlich — ein wasserarmer Flußlauf. Aber auch hier besteht nicht ein bloßes Weniger gegenüber einem Mehr zu anderer Zeit, sondern >arm< bedeutet: mangelhabend, nicht genügend.