Theorie sind für uns nicht wesentlich, sondern nur dieses: Der Organismus als solcher kommt zu seinem Recht in jedem Lebensstadium des Lebendigen. Seine Einheit und Ganzheit ist nicht ein nachträgliches Resultat nachgewiesener Zusammenfügungen. Wenn wir an unsere Wesensbestimmung des Organismus (Benommenheit) erinnern, sehen wir aber, daß hier zwar der Organismus als Ganzheit gefaßt wird, aber gleichwohl so, daß die Beziehung zur Umgebung nicht in die Grundstruktur aufgenommen ist. Das Ganze des Organismus fällt gleichsam mit der Oberfläche des Tierleibes zusammen. Zwar ist damit nicht gesagt, daß Driesch oder andere Forscher je übersehen hätten, daß das Tier zu anderem in Beziehung steht. Aber von der Kenntnis dieser Tatsache ist ein weiter Weg zur Einsicht erstens in ihr Wesen und zweitens in die Wesentlichkeit dieser Beziehung für die Organismusstruktur als solche.
In der Richtung der Aufhellung dieses Zusammenhanges erfolgt der zweite Schritt durch die fast gleichzeitigen Untersuchungen Uexkülls, die fast alle in der »Zeitschrift für Biologie«3 niedergelegt sind. Die Biologie kennt zwar schon seit langem eine Disziplin, die Ökologie. Das Wort Ökologie kommt von οἶκος, Haus. Es bedeutet die Erforschung dessen, wo und wie ,die Tiere zu Hause sind, ihre Lebensweise mit Bezug auf ihre Umgebung. Aber gerade dieses ist im Darwinismus in einem äußerlichen Sinne und am Leitfaden der Frage nach der Anpassung verstanden. Diese Erforschung hat im Darwinismus die grundirrige Meinung zur Voraussetzung, daß das Tier vorhanden sei, und daß es sich dann an eine vorhandene Welt anpasse und sich danach entsprechend verhalte und daß von ihm das Beste ausgelesen werde. Allein, es handelt sich nicht nur darum, die bestimmten Lebensbedingungen inhaltlich festzustellen, sondern darum, eine Einsicht zu gewinnen in das Beziehungsgefüge des Tieres zu seiner Umgebung. Auch bei diesen Arbeiten Uexkülls ist weniger wichtig die Theorie
3 Zeitschrift für Biologie, Neue Folge. Hg. W. Kühne und C. Voit. Miinchen und Leipzig 1896 ff.