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§ 65. Unterschiedslose Offenbarkeit


unseres Daseins das Seiende in einer merkwürdigen Unterschiedslosigkeit an uns herankommen und vorhandensein. Nicht so, daß uns alle Dinge unterschiedslos ineinanderlließen -im Gegenteil, wir sind empfänglich für die inhaltliche Mannigfaltigkeit des Seienden, das uns umgibt, wir haben nie genug von Abwechslung und sind gierig nach Neuem und Anderem. Und doch ist dabei das Seiende, das uns umgibt, gleichmäßig offenbar als das eben Vorhandene im weitesten Sinne -das Vorkommen von Land und Meer, Bergen und Wäldern und in all dem das Vorkommen von Tieren und Pflanzen und das Vorkommen von Menschen und Menschenwerk und wir selbst auch dabei und darunter. Dieser Charakter des Seienden als des eben Vorhandenen im weitesten Sinne kann nicht eindringlich genug angezeigt werden, weil er ein wesentlicher Charakter des Seienden ist, wie es sich in unserer Alltäglichkeit breitmacht, in welche Breite des Vorhandenen wir selbst mit einbezogen sind. Daß das Seiende in dieser eingeebneten Gleichmäßigkeit des eben Vorhandenen offenbar sein kann, gibt dem Alltag des Menschen die eigentümliche Sicherheit und Festigkeit und fast Zwangsläufigkeit und gewährleistet die für den Alltag notwendige Leichtigkeit des übergangs von einem Seienden zum anderen, ohne daß dabei die jeweilige Seinsart des Seienden in ihrer ganzen Wesentlichkeit ins Gewicht fällt. Wir steigen in die Elektrische, sprechen mit anderen Menschen, rufen den Hund, sehen nach den Sternen, in einem Stil -Menschen, Fahrzeuge, Menschen, Tiere, Himmelskörper, alles in einer Gleichmäßigkeit des eben Vorhandenen. Das sind Charaktere des alltäglichen Daseins, die die Philosophie bisher vernachlässigt hat, weil dieses allzu Selbstverständliche das Mächtigste in unserem Dasein ist, und weil das Mächtigste deshalb der Todfeind der Philosophie ist. Die Art und Weise, in der uns daher die indifferente Mannigfaltigkeit des Seienden jeweils zuerst und vor waltend zugänglich wird, ist das Kennenlernen in jenem indifferenten Sinn, in dem man von den Dingen spricht und


Martin Heidegger (GA 29/30) Die Grundbegriffe der Metaphysik