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Thematische Exposition des Weltproblems

Das Vorhandensein des Vorhandenen aber wird gefaßt als die Anwesenheit von etwas, und die Anwesenheit von etwas gilt für die Antike und weiterhin als die eigentliche Bedeutung dessen, was wir mit Sein bezeichnen. Die ἀποφανσις, die Grundleistung des λόγος, ist das Zugesichtbringen des Seienden so, wie es und was es als Seiendes ist. Die Aussage beschränkt sich nicht nur auf das jetzt Gegenwärtige, sondern bezieht sich auch auf das Gewesene und auf das, was sein wird.



f) Zusammenfassende Wesensbestimmung der einfachen Aussage und die Bestimmung ihrer einzelnen Bestandteile
(ὄνομα, ῥῆμα)


Daher faßt Aristoteles die Wesens bestimmung der einfachen Aussage also zusammen: ἔστι θὲ ἡ μὲν ἁπλῆ ἀπόφανσις φωνὴ σημαντικὴ περὶ τοῦ ὑπάρχει τι ἢ μὴ ὑπάρχειν, ὡς οἱ χρόνοι διῄρηνται18: Es ist also die einfache Aussage eine Verlautbarung, die etwas bedeutet, und zwar meinend etwas aussagt, indem sie handelt über das Vorhandensein von etwas oder Nichtvorhandensein, und zwar in der Weise, wie jeweils die Zeiten auseinandergehalten sind — also grammatisch gesprochen, Präsens, Perfekt oder Futurum.

Von dieser einheitlichen Struktur des λόγος ἀποφαντικός her können wir erst begreifen, was Aristoteles über die einzelnen Bestandteile des λόγος aussagt. Diese Charakteristik der Bestandteile ist später in die Logik und Grammatik übergegangen. Die Bestandteile der Aussage sind, wie wir zu sagen pflegen, Subjekt und Prädikat. Aristoteles charakterisiert das zunächst anders: als ὄνομα und als ῥῆμα. Je charakteristisch als Kriterium des Unterschiedes beider ist die Zeit. Genauer gesagt, in dem einen (ῥῆμα) ist das In-der-Zeit-sein mitbedeutet, und zwar als wesentlich; im anderen (ὄνομα) schwingt


18 a.a.O., Kap. 5, 17 a 22 ff.


Martin Heidegger (GA 29/30) Die Grundbegriffe der Metaphysik