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Die Leitfrage der Philosophie und ihre Fraglichkeit

das ὑπομένον: das, was beim Wechsel der Eigenschaften, also bei 
einer Änderung derselben und so bei der Veränderung des Dinges 
darunter erhalten bleibt, als erhalten gleichsam festliegen 
bleibt: κεῖσθαι. Daher steht sehr oft für ὑπομένον der Ausdruck 
ὑποκείμενον. So liegt im innersten Gehalt des Substanzbegriffes
der Charakter des durchhaltenden Bleibens, d. h. ständiger Anwesenheit.

d) Sein und Wirklichkeit (Vorhandensein).
Der innere Strukturzusammenhang νοn οὐσία als παρουσία
mit ἐνέργεια und actualitas

Wenn wir das bisher über den antiken Seinsbegriff (οὐσία) Gesagte 
zusammenfassen, so ergibt sich ein Dreifaches:
1. Die Auslegung der Bewegung als eines Grundcharakters 
des Seienden ist orientiert auf ἀπουσία und παρουσία, auf Abwesenheit 
und Anwesenheit.
2. Der Versuch, das Was-sein des Seienden, z. B. der schönen 
seienden Dinge als solches aufzuhellen, ist orientiert auf 
παρουσία.
3. In der traditionellen Auffassung der οὐσία im Sinne der 
Substanz liegt gleichfalls die ursprüngliche Bedeutung von οὐσία 
qua παρουσία.
4. Bei all dem bleibt dunkel, was οὐσία im Sinne von παρουσία 
hier soll und im Grunde meint.
Unsere These : Sein besagt beständige Anwesenheit, kann aus 
der Problematik selbst erwiesen werden, umso mehr, als wir ja 
mit der These nicht vermeinen, die Griechen hätten dieses Seinsverständnis 
als solches ausdrücklich erkannt und eigens zum 
Problem gemacht. Wir sagen nur, daß ihr Fragen nach dem 
Seienden im Horizont dieses Seinsverständnisses umhergetrieben 
wird.
Aber an einer entscheidenden Stelle scheitert unsere These offenbar 
nun doch. Gerade dann nämlich, wenn wir denjenigen 
Begriff für das Sein ins Auge fassen, der auch im gewöhnlichen