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Selbstbewußtsein

dem bisherigen Stadium der »Phänomenologie«, und zwar in dem Sinne, der für Hegel die Bedeutung des absoluten Seinsbegriffes erfüllt. Der Sache nach ist dieser Begriff des Seins alt und muß alt sein, so alt wie die abendländische Philosophie in ihren zwei Hauptetappen, die wir durch die Namen-paare Parmenides/Heraklit — Platon/Aristoteles äußerlich markieren. Der entscheidende Schritt Hegels besteht darin, daß er die mit dem antiken Ansatz vorbestimmten Grundmotive — das logische, egologische und theologische — in ihrem eigenen Wesensgehalt entfaltet. Der neue Seinsbegriff ist der alte, antike in seiner äußersten und ganzen Vollendung. Wir kommen daher mit dem genannten Stück an eine Stelle, aus der wir zum ersten Mal wirklich belegen können, daß und inwiefern die Wissenschaft der Phänomenologie des Geistes nichts anderes ist als die Fundamentalontologie der absoluten Ontologie, und d. h. der Onto-logie überhaupt. Die »Phänomenologie des Geistes« ist das Endstadium der möglichen Begründung einer Ontologie.

Historisch ausgedrückt läßt sich das auch so sagen: Das Sein des Seienden ist seit der Antike — bei Aristoteles nicht weniger als bei Platon, und bei Parmenides, in der Vorform freilich, eben so wie bei diesem — bestimmt als εἶδος, ἰδέα, Idee, damit auf Sehen, Wissen, λόγος bezogen. Deshalb ist Philosophieren als Fragen nach dem Sein des Seienden Idealismus, dieser Titel nicht als Kennwort einer Richtung und eines Standpunktes der Erkenntnistheorie genommen, sondern als Bezeichnung des Grundansatzes des Seinsproblems, und damit dessen, was diesseits aller vulgären und sogenannten erkenntnistheoretischen Parteiungen liegt. Die »Phänomenologie des Geistes« ist — so können wir mit Bezug darauf sagen — die bewußte, ausdrückliche, absolute Begründung des Idealismus, wovon Hegel selbst später6 spricht.

Dasselbe können wir schließlich in noch anderer Weise verdeutlichen, und zwar mit Bezug auf ein Problem, das im Bisherigen

6 II, 175 ff.

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