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§ 14. Die δύναμις μετὰ λόγου

Wir können uns diesen Tatbestand zunächst allgemein näher bringen durch den Hinweis auf ein Beispiel, etwa die Töpferei. Der ganze Verlauf des Herstellens von Krügen, von der Zurechtlegung des Lehms über die Bestimmung seiner Feuchtigkeit und die Regelung der Drehung der Scheibe bis zur Überwachung des Brennofens, ist gleichsam durchsetzt mit dem: dieses — nicht jenes, so und nicht anders. Das Herstellen ist in sich, in der ihm zugehörigen Weise seines Vorgehens ein Tun und Lassen, ein Tun von etwas und Lassen des Gegenteils. Weil Herstellen so in sich Tun und Lassen zumal ist, deshalb ist das, worauf es bezogen ist: έναντία.

Allein es gilt nun, diesen roh gefaßten Zusammenhang zwischen Herstellung (έπιστήμη ποιητική) und dem, worauf sie sich bezieht als einem Gegenteiligen, schärfer zu sehen, d. h. aus der inneren Verfassung des Wesens der Herstellung zu begreifen. Die Griechen, Plato und Aristoteles, haben nun nicht nur die Interpretation dieses Phänomens der Herstellung durchgeführt, sondern die Grundbegriffe der Philosophie sind aus dieser und in dieser Interpretation erwachsen. (Warum das so ist und was das alles bedeutet und warum die antike Philosophie gerade doch nicht die Philosophie der Schuster und Töpfer ist, das ist hier nicht zu erörtern.)


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Was die Griechen als έπιστήμη ποιητική begriffen haben, war für ihr Weltverständnis selbst von prinzipieller Bedeutung. Man muß sich darüber klar werden, was das bedeutet, daß der Mensch zu den Werken, die er herstellt, ein Verhältnis hat. Deshalb ist in einem gewissen Buch »Sein und Zeit« von Umgehen mit dem Zeug die Rede; nicht um Marx zu korrigieren oder um eine neue Nationalökonomie aufzustellen, noch auch aus einem primitiven Weltverständnis.

Was ist also επιστήμη ποιητική, Herstellung? Was hergestellt wird, hergestellt werden soll, ist das εργον. Dieses ergibt sich nicht von ungefähr und beliebig aus irgend einer Hantierung


Martin Heidegger (GA 33) Aristoteles Metaphysik IX 1-3