170
Das »Lehrgedicht« des Parmenides

i) Die Einheit der einfach-einzigen Selbigkeit des Seins


a) Das Sein als das Eine, das jedes Andere ausschließt

29-33. Und zwar mit Bezug auf die noch nicht behandelten σήματα. ἕν, µουνογενές (29-30), ἀτέλεστον (32/3). Das Sein selbig im Selbigen verbleibend, und in sich zurückgeborgen liegt es fest. Das Sein ist das Eine, mit Ausschluß jedes Anderen. Damit gemeint: nicht nur anderem gegenübergestellt, über jedes Andershafte, Andersheit hinaus. Und zwar wird nicht einfach gesagt: das Sein ist ταὐτόν, selbig, sondern selbig im Selbigen verbleibend; es in ihm selbst verbleibend, es bleibt und hält sich in solcher Selbigkeit. Es ist sich von sich aus sich gegenwärtig haltend, einigend, Einheit bildende Einheit, als welche sie west. Wir sagen künftig: es west. Bei solchem Wesen aber bleibt es in sich zurückgeborgen fest, κεῖται, liegen, ruhen; liegen, z.B. wenn wir sagen, die und die Stadt liegt dort und dort. Dieses Liegen ist als die Liegenschaft das Anwesen. Der Ausdruck »ruhen« (überhaupt) kann insofern leicht irreführen, als ja Ruhen noch Bewegung in sich schließt (κεῖται-Ruhe!), aufgefangene, stillgehaltene Bewegung. Das Sein kennt keine Bewegtheit (ἀκίνητον), auch keine gestillte, also keine Ruhe. Festlegen — im Sinne dessen, was überhaupt außerhalb von Bewegungsmöglichkeit und Ruhe bleibt.

Wiederum erfahren wir das Gemeinte nur an der Anwesenheit des Anwesenden, von der wegzuhalten ist, daß es je angekommen, irgendwoher, noch verschwinden könnte, irgendwohin, und so standhaft all da verharrt es. Immer schon hat es diesen 50 Stand des einfachen schlichten Gegenstandes, der Gegenwart | angenommen, hat es verharrt. Dieses Verharren kann dabei nicht gefaßt werden als das Sich-zur-Wehr-Setzen des Jetzt gegen jedes, jederzeit andrängende und alsogleich wegschwimmende Jetzt. Es meint vielmehr ein Bleiben, das gar nicht in den Fluß des Jetzt eingeht. Darin liegt aber nicht schon, daß dieses Bleiben außerzeitlich wäre.83 Das ist so wenig der Fall, daß die nicht jetzthafte


83 Dauerhaftigkeit eine mögliche Folge von Gegenwart, nicht umgekehrt. Diese durch jene zu erklären -schon nie[?] Stelle notwendig.

Martin Heidegger GA 35 Der Anfang der abendländischen Philosophie