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§ 11. Zusammenfassende Zwischenbetrachtung

dem ist das ursprüngliche und ureigene im voraus Offenbare, innerhalb dessen erst dies und das uns begegnen kann. Die Welteröffnung geschieht in der Grundstimmung. Die entrükkende, einrückende und so eröffnende Macht der Grundstimmung ist damit zugleich gründend, d. h. sie stellt das Dasein in seine Gründe und vor seine Abgründe. Die Grundstimmung bestimmt unserem Dasein den ihm selbst offenbaren Ort und die Zeit seines Seins (weder Ort räumlich noch Zeit zeitlich im gewöhnlichen Sinne).



b) Grundstimmung als Ausgesetztheit inmitten
des offenbaren Seienden im Ganzen


Kraft der Macht der Grundstimmung ist das Dasein des Menschen seinem Wesen nach Ausgesetztheit inmitten des offenbaren Seienden im Ganzen, eine Ausgesetztheit, die das Dasein zu übernehmen hat, um darin zugleich die Bewahrung des in solcher Ausgesetztheit offenbaren Seienden im Ganzen zu übernehmen, gemäß welcher Übernahme es so oder so die Möglichkeit einer Geschichte in sich verwahrt, d. h. sie erfüllt oder verschleudert. Das Dasein ist dem Seienden als solchem — sowohl dem Seienden, das es selbst ist, als auch dem Seienden, das es nicht selbst ist — überantwortet. Darin liegt die Auszeichnung des menschlichen Daseins, daß es nicht nur ›ist‹, sondern daß jegliches Sein von ihm so oder so übernommen, getragen und geführt sein muß. Auch die Gleichgültigkeit und Vergessenheit sind nur Weisen, wie das Dasein dem Sein als solchem sich überantwortet. Diesen Grundcharakter des menschlichen Daseins — daß es ihm, sofern es ist, je so oder so um das Sein gehen muß — nennen wir die Sorge. Mit dieser Benennung wird nicht eines unter den im Alltag bekannten Gefühlen — Furcht, Angst, Sorge und dergleichen — zu einem metaphysischen Begriff hinaufgesteigert und daraus eine Weltanschauung gemacht, sondern die Grunderfahrung des Wesens des geschichtlichen Daseins des Menschen ist es zuvor, die eine


Martin Heidegger (GA 39) Hölderlins Hymnen »Germanien« und »Der Rhein«