weil die Grunderfahrung der Not des neuzeitlichen Denkens, seiner unbegriffenen Angst vor dem wirklichen Fragen nach dem eigentlich Frag-würdigen, weil diese Not uns hellsichtig macht für die Not dieses Dichters, weil eine Not die andere in sich schließt. Überflüssig bleibt es daher, weitläufig zu versichern, daß weder irgendeine besondere ästhetische Geschmacksrichtung noch auch eine äußerliche Vorhebe für den Dichter und sein Werk noch auch die gewiß bestehende Notwendigkeit einer Aneignung desselben uns bestimmen, im Zusammenhang einer weitgesteckten Grundaufgabe der Philosophie gerade von dieser Dichtung zu handeln.
Die eben vollzogene Besinnung gilt der Absicht, den Übergang vom Gedicht »Germanien« zum Gedicht »Der Rhein« aus dem Sinn unserer Aufgabenstellung verständlich zu machen. Soll dieser Übergang die Aufgabe festhalten und verschärfen — und er will das —, dann kann die Wahl des Gedichtes »Der Rhein« nur den Sinn haben, die begonnene Entfaltung der Grundstimmung zu steigern und reicher zu machen, d. h. aber, das in ihr eröffnete Seyn dem Begreifen näher zu bringen.
Das Gedicht »Der Rhein« gehört zu den Stromdichtungen. Wir haben früher bereits (S. 90 ff.) auf den Sinn und die Bedeutsamkeit der Ströme und des Sagens von ihnen hingewiesen. »die sehnsüchtigen Wasser / Der Heimath«1 übernehmen bei der gründenden Eröffnung der Welt des geschichtlichen Daseins eine wesentliche Leistung. Vgl. »Der Ister« (IV, 221 f., V. 49 ff.):
... Umsonst nicht gehn
Im Troknen die Ströme. Aber wie? Sie sollen nemlich
Zur Sprache seyn. Ein Zeichen braucht es,
Nichts anderes, schlecht und recht, damit es Sonn'
Und Mond trag' im Gemüth', untrennbar,
1 Patmos, 1. Fassung, IV, 190, V. 23 f.