Notwendigkeit gibt, mit der Tatsache, daß uns das Sein in der Tat fast nur noch ein Wort und dessen Bedeutung ein verschwebender Dunst ist. Diese Tatsache ist nicht nur solches, wovor wir stehen als einem fremden Anderen, was wir als Vorkommnis in seinem Vorhandensein nur feststellen dürfen. Sie ist solches, worin wir stehen. Es ist ein Zustand unseres Daseins; dies freilich nicht im Sinne einer Eigenschaft, die wir nur psychologisch aufweisen könnten. Zustand meint hier unsere ganze Verfassung, die Weise, wie wir selbst im Bezug auf das Sein gefaßt sind. Es handelt sich hier nicht um Psychologie, sondern um unsere Geschichte in einer wesentlichen Hinsicht. Wenn wir dieses, daß das Sein uns ein bloßes Wort und ein Dunst ist, eine »Tatsache« nennen, so liegt darin eine große Vorläufigkeit. Wir halten und stellen damit nur erst einmal fest, was noch gar nicht durchdacht ist, wofür wir noch keinen Ort haben, wenn es auch so aussieht, als sei es ein Vorkommnis bei uns, diesen Menschen, »in« uns, wie man gern sagt.
Die einzelne Tatsache, daß das Sein uns nur noch ein leeres Wort und ein verschwebender Dunst ist, möchte man in die allgemeinere einordnen, daß viele und gerade die wesentlichen Worte in dem gleichen Fall sind, daß überhaupt die Sprache verbraucht und vernutzt ist, ein unentbehrliches, aber herrenloses, beliebig verwendbares Mittel der Verständigung, so gleichgültig wie ein öffentliches Verkehrsmittel, wie die Straßenbahn, in der jedermann ein- und aussteigt. Jedermann redet und schreibt ungehindert und vor allem ungefährdet in der Sprache so daher. Das ist gewiß richtig. Auch sind nur die Wenigsten noch imstande, dies Miß- und Unverhältnis des heutigen Daseins zur Sprache in seiner ganzen Tragweite auszudenken.
Aber die Leere des Wortes »Sein«, der völlige Schwund seiner Nennkraft, ist nicht ein bloßer Einzelfall der allgemeinen Sprachvernutzung, sondern — der zerstörte Bezug zum Sein als solchem ist der eigentliche Grund für unser gesamtes Mißverhältnis zur Sprache.