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§ 51. Wesenszugehörigkeit von Sein und Mensch

zu sehen, was im Spruch des Parmenides gesagt wird und vor sich geht.

Die landläufige Vorstellung vom Menschen in allen ihren Abwandlungen ist jedoch nur die eine Schranke, die uns vom Raum aussperrt, in dem die Erscheinung des Menschenwesens anfänglich geschieht und zum Stand gebracht wird. Die andere 109 besteht darin, daß uns sogar die genannte Frage nach dem Menschen fremd bleibt.

Zwar gibt es jetzt Bücher mit dem Titel: »Was ist der Mensch?« Aber diese Frage steht nur in Buchstaben auf dem Buchdeckel. Gefragt wird nicht; keineswegs deshalb, weil man das Fragen bei dem vielen Bücherschreiben nur vergessen hätte, sondern weil man eine Antwort auf die Frage bereits besitzt, und zwar eine solche Antwort, mit der zugleich gesagt wird, daß man gar nicht fragen darf. Daß jemand die Sätze, die das Dogma der katholischen Kirche aussagt, glaubt, ist Sache des Einzelnen und steht hier nicht in Frage. Daß man aber auf den Buchdeckel seiner Bücher die Frage setzt: Was ist der Mensch?, obgleich man nicht fragt, weil man nicht fragen will und nicht kann, das ist ein Verfahren, das von vornherein jedes Recht verwirkt hat, ernst genommen zu werden. Daß dann z. B. die Frankfurter Zeitung ein solches Buch, in dem lediglich auf dem Buchdeckel gefragt wird, als »ein außerordentliches, großartiges und mutiges Buch« anpreist, zeigt auch dem Blindesten, wo wir stehen.

Warum nenne ich hier abwegige Dinge im Zusammenhang mit der Auslegung des Spruches des Parmenides? Diese Art Schriftstellerei ist doch in sich gewichts- und bedeutungslos. Aber nicht bedeutungslos ist der schon lange anhaltende Zustand einer Lähmung jeder Leidenschaft des Fragens. Dieser Zustand bringt es mit sich, daß alle Maßstäbe und Haltungen sich verwirren und die meisten nicht mehr wissen, wo und wozwischen die eigentlichen Entscheidungen fallen müssen, wenn anders mit der Größe des geschichtlichen Willens die Schärfe und Ursprünglichkeit des geschichtlichen Wissens sich