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Beschränkung des Seins

entgegenschlägt und von vornherein alle alltäglichen Maßstäbe des Fragens und Bestimmens zerbricht.

Das erste ist der Beginn: πολλὰ τὰ δεινὰ …

»Vielfältig das Unheimliche, nichts doch

über den Menschen hinaus Unheimlicheres ragend sich regt. « In diesen beiden ersten Versen wird dem ganzen folgenden Gesang das vorausgeworfen, was er in seinem einzelnen Sagen einzuholen sucht und in das Gefüge des Wortes bannen muß. Der Mensch ist mit einem Wort τὸ δεινότατον, das Unheimlichste. Dieses Sagen vom Menschen faßt ihn von den äußersten Grenzen und den jähen Abgründen seines Seins. Dieses Jähe und Endhafte wird niemals den Augen bloßer Beschreibung und Feststellung eines Vorhandenen sichtbar, und wären es abertausend Augen, die am Menschen Beschaffenheiten und Zustände aufsuchen wollen. Nur dem dichterisch-denkerischen Entwurf eröffnet sich solches Sein. Nichts finden wir von einer Abschilderung vorhandener Exemplare von Menschen, aber ebensowenig irgendeine blind-blöde Übersteigerung des Menschenwesens von unten her, aus einer unzufriedenen Verdrießlichkeit, die nach einer vermißten Bedeutendheit schnappt, nichts von dem Überragenden einer Persönlichkeit. Bei den Griechen gab es noch keine Persönlichkeiten [und darum auch kein Über-Persönliches]. Der Mensch ist τὸ δεινότατον, das Unheimlichste des Unheimlichen. Das griechische Wort δεινόν und unsere Übersetzung verlangen hier im voraus eine Erläuterung. Sie ist nur aus dem unausgesprochenen Vorblick auf den ganzen Gesang zu geben, der selbst und allein die angemessene Auslegung zu den beiden ersten Versen darstellt. Das griechische Wort δεινόν ist in jener unheimlichen Zweideutigkeit zweideutig, mit der das Sagen der Griechen die gegenwendigen Aus-einander-setzungen des Seins durchmißt.

Einmal nennt δεινόν das Furchtbare, aber nicht für kleine Furchtsamkeiten oder gar in jener verfallenen, läppischen und nichtsnutzigen Bedeutung, in der man heute bei uns das Wort gebraucht, indem man »furchtbar niedlich« sagt. Das δεινόν ist

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