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Beschränkung des Seins

b) Der Grund für den Wandel von φύσις und λόγος zu Idee
und Aussage: der Einsturz der Unverborgenheit —
das Nichtgründenkönnen der ἀλήθεια in der Not des Seins


Aber was ist geschehen, was mußte geschehen sein, daß es zu diesem anfänglichen Ende in der griechischen Philosophie, zu diesem Wandel von φύσις und λόγος kam? Damit stehen wir bei der zweiten Frage.

Zu 2. An dem dargestellten Wandel ist ein Doppeltes zu beachten.

a. Er setzt ein im Wesen von φύσις und λόγος, genauer in einer Wesensfolge, und zwar dergestalt, daß das Erscheinende (in seinem Scheinen) ein Aussehen zeigt, daß das Gesagte alsbald in den Bereich des aussagenden Geredes gerät. Der Wandel kommt mithin nicht von außen, sondern von »innen«. Aber was heißt hier »innen«? In Frage steht nicht φύσις für sich und λόγος für sich. Wir sehen aus Parmenides, daß beide wesenhaft zusammengehören. Ihr Bezug selbst ist der tragende und waltende Grund ihres Wesens, ihr »Inneres«, obzwar der Grund des Bezugs selbst erstlich und eigentlich im Wesen der φύσις verborgen liegt. Aber welcher Art ist der Bezug? Wir bekommen das Gefragte in den Blick, wenn wir jetzt ein Zweites an dem dargestellten Wandel herausheben.

b. Jedesmal führt der Wandel dazu, daß, sowohl von der Idee als auch von der Aussage her gesehen, das ursprüngliche Wesen der Wahrheit, die ἀλήθεια (Unverborgenheit), sich zur Richtigkeit gewandelt hat. Die Unverborgenheit nämlich ist jenes Innere, d. h. der waltende Bezug zwischen φύσις und λόγος im ursprünglichen Sinne. Das Walten west als das In-die-Unverborgenheit-hervor-kommen. Vernehmung und Sammlung aber sind die Verwaltung des Eröffnens der Unverborgenheit für das Seiende. Der Wandel von φύσις und λόγος zu Idee und Aussage hat seinen inneren Grund in einem Wandel des Wesens der Wahrheit als Unverborgenheit zur Wahrheit als Richtigkeit. Dieses Wesen der Wahrheit konnte in seiner anfänglichen


Martin Heidegger (GA 40) Einführung in die Metaphysik