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Anhang

Weise. Seine Bedeutung ist gar nicht unbestimmt und leer; das scheint nur so, wenn wir uns an den »Infinitiv« halten und ihn gar noch zum Substantiv erheben. Allein, ist der Infinitiv das Abstrakteste, logisch verstanden: die leere Allgemeinheit der umgreifenden Gattung? Können wir den Infinitiv »das Seyn« als Genus ansetzen und diesem die aufgeführten Abwandlungen als Arten und Besonderungen unterordnen — als einzelne »Fälle«? Wir sehen ohne große Anstrengung sogleich, daß das nicht geht. Die Logik versagt hier. Der Infinitiv und demzufolge das Verbalsubstantiv sind zwar Ii «.-bestimmt. Aber die Frage ist: in welchem Sinne? Die Grammatik gibt schon durch den Namen die Deutung, daß hier die einzelnen Abwandlungen nicht mehr zum Vorschein kommen. Man hat sich unter dem Einfluß der grammatischen Deutung der Sprache daran gewöhnt, den Infinitiv und seinen negativen Charakter zu verstehen im Sinne des Nicht-mehr-Habens. Wie aber, wenn man einmal versuchte, die Unbestimmtheit des Infinitivs zu verstehen nicht als ein Nicht-mehr, sondern ein Noch-nicht; die Unbestimmtheit nicht als die der Leere, wo alles fehlt, sondern der Fülle, die sich als solche nicht auf ein einzelnes beschränkt hat, aber als solche allein kann. Und so ist der »Infinitiv« — als grammatische Bezeichnung, und das heißt immer Sprachauslegung - wider den Willen der Grammatiker zweideutig. Wenn »das Seyn« als leeres Wort gilt, dann liegt das weder im Sinn des Seyns selbst noch am Charakter des Wortes, sondern nur an einer ganz bestimmten logischen Mißdeutung und damit einer Bezugslosigkeit zum Wesen der Sprache sowohl wie zum Wesen des Seyns.

So beginnt die für uns zur Erörterung stehende Tatsache immer merkwürdiger zu werden. Das Wort Seyn ist in Wahrheit gar nicht leer, aber tatsächlich doch als solches mißdeutet. Das kann nicht Zufall sein, sowenig wie die Verkennung des Wunders der Sprache durch die Grammatik und Logik als Belanglosigkeit gelten darf. Deshalb müssen wir diesen Doppelvorgang der Aushöhlung des Seyns und der Verkennung der