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Verschiedenes Fragen nach dem Ding

zu denken. Wir verwenden die erste Stunde, und nur diese, zu einer Besinnung auf unser Vorhaben.

Die Frage lautet: »Was ist ein Ding?« Sofort meldet sich auch schon ein Bedenken. Man möchte sagen: Die verfügbaren Dinge gebrauchen und genießen, hinderliche Dinge beseitigen, erforderliche beschaffen, das hat Sinn; aber mit der Frage »Was ist ein Ding?« kann man eigentlich nichts anfangen. So ist es. Man kann mit ihr nichts anfangen. Es wäre auch ein großes Mißverständnis der Frage, wollten wir zu beweisen versuchen, daß man mit ihr etwas anfangen könne. Nein, man kann mit ihr nichts anfangen. Diese Aussage über unsere Frage ist so wahr, daß wir sie sogar als eine Bestimmung ihres Wesens verstehen müssen. »Was ist ein Ding?« Das ist eine Frage, mit der man nichts anfangen kann; mehr braucht über die Frage eigentlich nicht gesagt zu werden.

Da die Frage schon recht alt ist, so alt wie der Anfang der abendländischen Philosophie bei den Griechen im 7. Jahrhundert v. Chr., wird es gut sein, die Frage auch nach ihrer geschichtlichen Seite kurz zu kennzeichnen. Zu dieser Frage wird eine kleine Geschichte überliefert. Platon hat sie uns in seinem Gespräch» Theätet« aufbewahrt (174 a sq.):

Ὥσπερ καὶ Θαλῆν ἀστρονομοῦντα . . . καὶ ἄνω βλέποντα, πεσόντα εἰς φρέαρ, Θρᾷττά τις ἐμμελὴς καὶ χαρίεσσα θεραπαινὶς ἀποσκῶψαι λέγεται ὡς τὰ μὲν ἐν οὐρανῷ προθυμοῖτο εἰδέναι, τὰ δ’ ἔμπροσθεν αὐτοῦ καὶ παρὰ πόδας λανθάνοι αὐτόν.
»So erzählt man sich von Thales, er sei, während er sich mit dem Himmelsgewölbe beschäftigte und nach oben blickte, in einen Brunnen gefallen. Darüber habe ihn eine witzige und hübsche thrakische Dienstmagd ausgelacht und gesagt, er wolle da mit aller Leidenschaft die Dinge am Himmel zu wissen bekommen, während ihm doch schon das, was ihm vor der Nase und den Füßen läge, verborgen bleibe.«

Platon fügt dem Bericht dieser Geschichte den Satz an:


Martin Heidegger (GA 41) Einführung in die Metaphysik. Zu Kants Lehre von den transzendentalen Grundsätzen

GA 41