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Verschiedenes Fragen nach dem Ding

denn die Wissenschaft noch »lebensnäher« haben? Ich denke, sie ist schon so nahe, daß sie uns erdrückt. Eher brauchen wir die rechteLebensferne, um noch einmal einenAbstand zu erlangen, in dem wir ermessen, was mit uns Menschen vor sich geht. Keiner weiß das heute. Deshalb müssen wir alle fragen und immer wieder fragen, um es zu wissen, oder auch nur, um zu wissen, warum und inwiefern wir es nicht wissen. Ist der Mensch, sind die Völker nur in dieses Weltall hineingestolpert, um ebenso wieder hinausgeschleudert zu werden, oder ist es anders? Wir müssen fragen. Es gilt sogar auf lange Zeit hinaus erst ein noch viel Vorläufigeres: Wir müssen erst wieder lernen zu fragen. Das geschieht allein, indem Fragen, freilich keine beliebigen, gefragt werden. Wir wählten die Frage »Was ist ein Ding?« Es zeigt sich jetzt: Die Dinge stehen in verschiedenen Wahrheiten. Was ist das Ding, daß es so mit ihm steht? Von wo aus sollen wir das Dingsein der Dinge entscheiden? Wir nehmen den Standort in der alltäglichen Erfahrung, mit dem Vorbehalt, daß auch ihre Wahrheit einmal eine Begründung fordert.


§ 5. Einzelnheit und Jediesheit. Raum und Zeit
als Dingbestimmungen


In der alltäglichen Erfahrung treffen wir immer auf einzelne Dinge. Mit diesem Hinweis nehmen wir nach der vorigen Zwischenbetrachtung den Gang unserer Frage wieder auf.

Die Dinge sind einzelne. Das heißt zunächst: Der Stein und die Eidechse und der Grashalm und das Messer sind je für sich. Außerdem gilt: Der Stein ist ein ganz bestimmter, gerade dieser; die Eidechse ist nicht die Eidechse überhaupt, sondern gerade diese, und so der Grashalm und so das Messer. Ein Ding überhaupt gibt es nicht, sondern nur einzelne Dinge, und die einzelnen sind außerdem je diese. Jedes Ding ist ein je dieses und kein anderes.


Martin Heidegger (GA 41) Einführung in die Metaphysik. Zu Kants Lehre von den transzendentalen Grundsätzen

GA 41