Aber es bleibt die Frage, ob die Berufung auf die Naturanlage der menschlichen Vernunft und ihren Ideenbesitz, ob diese Berufung eine systematische Begründung des Systems im Sinne des Systems ist, und ob damit für dieses ein systematischer Grund gelegt ist. Kant selbst kann hier die Zweifel nicht abwehren; so tauchen in seinen Entwürfen, wie wir jetzt sehen können, plötzlich Fragen auf wie diese: »Ist die Einteilung Gott und die Welt zulässig?« (a. a. 0., 5) Wenn diese Einteilungsfrage als Frage noch besteht, dann ist das System selbst fraglich. Es ist Kant auch nicht gelungen, die Erkenntnisweise der Philosophie als teleologia rationis humanae hinreichend deutlich zu machen und zu begründen. Kant gelang eine Kritik, d. h. zugleich eine positive Wesensumgrenzung der Erkenntnis als Erfahrung, aber er verabsäumte die Begründung des Wesens derjenigen Erkenntnis, die sich als Kritik vollzog. Die Kritik als Kritik selbst kam nicht zur Begründung. (Inwiefern ist das Vorgehen der Kritik als »transzendentale Reflexion« bestimmbar? vgl. »Kritik der reinen Vernunft«, A 260 ff. »Reflexion« und teleologia.) Man könnte meinen, ein solches Unternehmen führe ins Endlose und damit ins Bodenlose, und deshalb sei überhaupt »Kritik« im Kantschen Sinne nicht möglich. Wir gehen auf die Erörterung dieser Frage nicht ein; sie beruht in dieser Form auf einer ganz äußerlichen formalistischen überlegung. Wir beachten nur, daß die nicht entsprechende Begründung der Grundlagen der Kritik selbst mit ein Anstoß wurde, der über Kant hinaustrieb. Die Forderung einer Begründung der Grundlagen ist aber eine Forderung des Systems.
Die jüngeren Denker stießen sich an der Fragwürdigkeit des Kantschen Systems als eines Systems von Ideen, die nur heuristischen, aber keinen ostensiven Charakter haben sollen. Gerade weil die Kantsche Systemforderung durchaus bejaht wurde, kam es zur Abkehr von dem Weg, auf dem Kant dieser Forderung genügen wollte.