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Die Pantheismusfrage

Leitfrage wird entwickelt und entschieden durch eine kritische Erörterung der Behauptung: Der Pantheismus -als einzig mögliches System -ist Fatalismus. Unter dem Titel »Pantheismus« kommt die Systemfrage überhaupt, d. i. die Seynsfrage, zur Sprache. Im Zusammenhang mit dieser Frage erhalten die verschiedenen Freiheitsbegriffe ihre Bestimmung.

Für die Kennzeichnung des Bodens, auf dem sich die Betrachtung und die ganze Abhandlung bewegt, und zur Erläuterung des Verfahrens wird eine allgemeine ontologische Betrachtung eingeschoben. (Aber nicht nur um dieser »methodischen« Absicht willen.)

Aus ihr ergibt sich: Alle Sätze der Philosophie sind -als Sätze über das Seyn und Wesen des Seienden -»dialektisch«. Die Philosophie des absoluten Idealismus führt zur Ausbildung einer eigenen Dialektik. Die dialektischen Sätze sind ihrem Gehalt nach für das gemeine Denken befremdlich. Friedrich Schlegel sagt einmal: » ... eine Definition, die nicht witzig ist, taugt nichts« (Athenäumsfragment 82). Das ist nur die Wendung der idealistischen Dialektik ins Romantische.

Die Behauptung, deren Zurückweisung es gilt, setzt Pantheismus mit Fatalismus gleich. Die vollständige Widerlegung hat ein Doppeltes zu zeigen:

1. von der Freiheit her gesehen: Das lebendigste Gefühl der Freiheit des Menschen fordert die Zugehörigkeit des Menschen zum Grund des Seienden im Ganzen (fordert die Setzung des Pantheismus).

2. vom System her: Der rechtverstandene Pantheismus fordert die Setzung der menschlichen Freiheit.


Die fünf Freiheitsbegriffe:

1. Freiheit als Selbstanfangenkönnen

2. Freiheit als Ungebundenheit, Freiheit von (negative Freiheit)

3. Freiheit als Sichbinden an, libertas determinationis, Freiheit zu (positive Freiheit)


Martin Heidegger (GA 42) Schelling Vom Wesen der Menschlichen Freiheit