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Anhang

dig mitnimmt — sei es als eigenes und meist unfruchtbares Lehrstück, sei es als kaum mehr gewußte und beachtete Unterscheidung — ist es berechtigt, ja notwendig, auch und gerade das Ende dieser Metaphysik im Lichte dieser Unterscheidung zu begreifen.

Damit wird nicht irgendein Schulbegriff als Schema an Nietzsches Denken herangetragen, sondern ein ehemals bei Plato und überhaupt im Griechentum vorbereiteter Schritt der Auslegung des Seienden wird in seiner äußersten Folge begriffen; umgekehrt tritt damit heraus, wie sehr im Grunde — trotz aller Umkehrung — auch Nietzsches Denken noch Meta-physik und Platonismus ist.

Auf den ersten Blick erscheint es nicht nur schulmäßig lehrhaft, sondern vor allem willkürlich, den »Willen zur Macht« als essentia des Seienden und die »Ewige Wiederkehr des Gleichen« als existentia anzusetzen und damit schon ihre notwendige Zusammengehörigkeit als Frage anzudeuten.

Um aber zu begreifen, inwiefern der Wille zur Macht, und d. h. in seiner Vorform die »Kraft«, als essentia genommen werden kann und muß, inwiefern nicht einfach ebensogut die Ewige Wiederkehr als essentia (»Verfassung«) und der Wille zur Macht als existentia (»Weise«) sich auslegen lassen, ist der Wandel zu bedenken, den die Auslegung des Wasseins, der ousia als substantia, seit Descartes vor allem durchgemacht hat; es sei einfach an Leibnizens Satz erinnert, wonach wir, was das »Sein« sei, nur erfahren im »ego«, in uns selbst — wir selbst aber als monas sind vis (perceptio — appetitus), d. h. in der Folge dann Wille zur Macht.

Ewige Wiederkehr aber ist — obzwar scheinbar als Fließen und Fortfließen — gerade die echte Stillstellung des Fließens in den ursprünglichen Bestand, in jene Beständigkeit, die dem Wassein (als Wille zur Macht) entspricht.

Aber mit dieser »Schematisierung« ist in der Tat nichts geleistet, wenn nicht das ihr Zugrundeliegende — die Frage nach der ἰδέα und ihrer Wahrheit — in Bewegung kommt und dieses


Martin Heidegger (GA 43) Nietzsche, Der Wille zur Macht als Kunst