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Notwendigkeit der Frage nach dem Wesen der Wahrheit

Doppelung von Insichstehen und Dauer. Das Seiende als das solcherart Ständige gegen Wechsel und Zerfall ist in einsdamit das Anwesende gegen alles Abwesende und allenSchwund. Beständigkeit und Anwesenheit zumal stellen das in ihrem Sinne Wesende auf sich selbst zurück, aber nicht weg, siestellen es in sich selbst auf als das Aufgerichtete der Gestaltgegen das Ungestalte aller Wirrnis. Das Ständige, aus sich Anwesende und in sich Gestalthafte entfaltet aus ihm selbst für es selbst seinen Umriß und seine Grenze gegen alles nur Fortreißende und Grenzenlose. Ständigkeit, Anwesenheit, Gestalt und Grenze — alles zumal in der Einfachheit seiner Wechselbezüge gehört zu dem und bestimmt das, was in dem griechischen Wort φύσις anklingt als der Nennung des Seienden in seiner Seiendheit.

Dennoch haben wir die wesentlichste, weil alle die genanntendurchstrahlende Bestimmung der Seiendheit noch nicht genannt. Das Ständige als das in sich (da) Stehende und als dauerndes nicht Weichende ist das gegen Zerfall und Wechsel Hervor- und aus ihm Herausstehende. Das Anwesende als das allenSchwund hinter sich lassende Bleibende ist das Sichvorstellende. Die Gestalt als das alle Wirrnis Bändigende ist das Überdrängende und Vordrängende. Die Grenze als die Wehr gegen das Grenzenlose enthebt dem bloßen Fortriß und ist das Heraushebende. Das Seiende ist so gemäß den genannten Bestimmungen und ihrer Zusammengehörigkeit zumal und durchaus dasHervor- und Herausstehende, das von sich her Sich-Vorstellende, das Vordrängende und Heraushebende — kurz und in einem: das Hervorwaltende und so Unverborgene gegen dasVerborgene und Sichentziehende. Alle Bestimmungen der Seiendheit des Seienden — die doppeldeutige Ständigkeit, die Anwesenheit, die Gestalt und die Grenze — durchstrahlt und durchherrscht die eine, zuletzt genannte, aber eigentlich zuerst zu nennende Bestimmung: die Unverborgenheit — ἀλήθεια.

Was ergibt sich aus all dem? Die ἀλήθεια ist für die Griecheneine, ja die Grundbestimmung des Seienden selbst — etwas uns


Martin Heidegger (GA 45) Grundfragen der Philosophie

GA 45