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Not und Notwendigkeit des ersten Anfangs

wesentlich eine Art des Sich-Befindens vor dem Unerklärlichen, ein Angegangenwerden von diesem; und genauer besehen, will das Sichverwundern das Verwunderliche auch gar nicht erklärt haben, sondern es will durch das Unerklärliche als das Andere, Über-raschende, Ungewohnte gegenüber dem gemeinen Bekannten und Langweiligen und Leeren bedrängt und gefesselt sein. Immer jedoch ist dabei das Wunderliche ein je bestimmtes einzelnes Vorkommnis, ein einzelner Vorgang, ein einzelner Umstand und immer abgehoben gegen den je herrschenden bestimmten Umkreis des gerade Bekannten und Geläufigen.

Das Sichwundern und Verwundern hat verschiedene Grade und Stufen und findet in den verschiedensten Gebieten des Seienden, was es sucht. Je beliebiger, je wechselnder, oft je unwesentlicher, aber doch ausgefallener das jeweilige Verwunderliche ist, um so mehr genügt es dem Sichwundern, das immer auf Gelegenheiten aus ist und solche verlangt, bei denen es in seiner eigenen Sucht selbst erregt wird. Das Sich-angehen-lassen durch das Ungewöhnliche geschieht hier so, daß das Gewöhnliche auf die Seite gestellt und das Ungewöhnliche für sich selbst zum Vertrauten wird, das behext und verzaubert. Das Ungewöhnliche bekommt so seine eigene feste Art und Form und Mode. Es bedarf dazu sogar einer hinterlistigen Gewöhnlichkeit. Denken wir flüchtig an das, was das Kinotheater fortgesetzt an Ungewöhnlichem bieten muß; dieses jeden Tag neu noch nie Dagewesene ist das Immergleiche an Gewöhnlichkeit.


Wiederholung


1) Das Nichthafte der Not als das Nicht-aus-und-nicht-ein-Wissen. Das Woheraus und das Wohinein als das offene Zwischen der Unentschiedenheit des Seienden und Unseienden


Wir besinnen uns auf die Notwendigkeit des Anfangs des abendländischen Denkens, in dem das Wesen der Wahrheit als Grundcharakter des Seienden selbst aufleuchten und alsbald


Martin Heidegger (GA 45) Grundfragen der Philosophie

GA 45