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§ 38. Das Wesen des Erstaunens

fernhalten. Allerdings — daß es zur neuzeitlichen und modernen
Technik kommen konnte und mußte, ist im Anfang gegründet
und durch das unumgängliche Nichtfesthaltenkönnen
des Anfangs begründet. Damit ist gesagt: Die heutige Technik
— nämlich als eine Form der »totalen Mobilmachung« (Ernst
Jünger) - ist nur zu begreifen aus dem Anfang der abendländischen
Grundstellung zum Seienden als solchem im Ganzen,
gesetzt, daß wir ein »metaphysisches« Begreifen anstreben und
uns nicht damit begnügen, die Technik in die politische Zwecksetzung
einzuordnen.
τέχνη meint nicht »Technik« im Sinne der maschinenhaften
Einrichtung des Seienden, meint auch nicht Kunst im Sinne der
bloßen Fertigkeit und Geschicklichkeit in irgendeinem Verfahren
und Hantieren, τέχνη meint ein Erkennen — das Sichauskennen
im Vorgehen gegen das Seiende (und in der Begegnung
mit dem Seienden), d. h. gegen die φύσις. Es ist hier freilich
nicht möglich und auch nicht nötig, auf die Bedeutungsschwankungen
des Wortes τέχνη einzugehen, die nicht zufällig sind.
Wir haben nur zu bedenken, daß dieses Wort noch und gerade
bei Platon zeitweilig die Rolle übernimmt, das Erkennen
schlechthin, und das meint den vernehmenden Bezug zum Seienden
als solchem, zu bezeichnen. Darin bekundet sich aber,
daß jetzt dieses Vernehmen des Seienden in seiner Unverborgenheit
kein bloßes Angaffen ist, daß sich das Er-staunen vielmehr
in einem Vorgehen gegen das Seiende vollzieht, aber so,
daß dieses selbst gerade zum Erscheinen kommt. Denn dieses
besagt τέχνη: das von sich her aufgehende Seiende in dem fassen,
als was es sich zeigt, in seinem Aussehen, εἶδος , ἰδέα, um
diesem gemäß das Seiende selbst zu pflegen und wachsen zu
lassen bzw. durch Herstellung und Aufstellung von Entsprechendem
innerhalb des Seienden im Ganzen sich einzurichten.
Die τέχνη ist die Weise des Vorgehens gegen die φύσις, aber
hier noch nicht, um sie zu überwältigen und auszunutzen, und
vor allem nicht, um Nutzung und Berechnung zum Grundsatz
zu machen, sondern umgekehrt, um das Walten der φύσις in